Die 17-jährige Sandra Luptowitsch hat im Boot schon viele Medaillen eingesammelt. So lange es ihr gefällt, will sie weiterrudern. Foto: Bulgrin
Dem inneren Schweinehund davonrudern
Sandra Luptowitsch hat bei
den deutschen Ruder-Meisterschaften 1 x Gold und 1x Silber gewonnen
Opfer und Freude am Sport sollen im Gleichgewicht bleiben
Von Dorit Brockmeier
Es gehört zu den schwersten Entscheidungen im
Leben einer 17-Jährigen, am Samstag Abend eine Party abzusagen und auch nicht
mit den Freundinnen zum Shoppen zu gehen, weil ein paar Trainingseinheiten auf
dem Wasser auf sie warten. Aber Sandra Luptowitsch vom RV Esslingen weiß inzwischen,
wie sie den inneren Schweinehund austrickst: "Dann rudere ich einfach schneller
- oder ich unterhalte mich, um mich abzulenken." Dass mit dem schneller Rudern
klappt auch im Wettkampf ganz gut: 2002 wurde sie mit 13 Jahren Baden-Württembergische
Meisterin im Einer-Rudern als eine der jüngsten Teilnehmerinnen, 2003 und 2004
ebenfalls. Zwei Mal holte sie sich den deutschen Meistertitel im Kinder- und
Juniorenlauf. In diesem Jahr wurde sie Deutsche Meisterin im Leichtgewicht-Doppelvierer
der Frauen und zweite im Leichtgewichts-Einer bei den Juniorinnen A. Ganz zu schweigen
von den vielen Regatten, die sie auf dem obersten Treppchen beendete. Die Esslingerin
ist eines der erfolgreichsten und vielverprechendsten Rudertalente im Land.
Wie es dazu kam? Luptowitsch weiß es selbst nicht so genau. Ihre Mutter, Managerin
und Trainerin Cornelia Luptowitsch startet einen Erklärungsversuch: "Sie war
schon immer geschickt in sportlichen Dingen. Sie probiert etwas ein paar Mal
aus und kann es einfach". Dazu gehören zum Beispiel Judo, Schwimmen, Volleyball,
Laufen, Radfahren. Doch das Ruderboot, in dem sie seit ihrem sechsten Lebensjahr
sitzt, hatte immer den Bug vorne: "Mir gefallen die frische Luft und die Schnelligkeit."
Und im Grunde fielen ihr die vielen Trainingsstunden auch nicht zu schwer, sie
habe kein "riesiges Opfer" bringen müssen. Ebenso fällt ihr die Schule - sie
besucht die elfte Klasse im Schelztorgymnasium - nicht zu schwer, obwohl ihre
Vorbereitung doch zuweilen etwas zu wünschen übrig lasse.
Bisher klappte alles, was sie sich vorgenommen
hat. Natürlich gab es auch Tiefpunkte und ärgerliche Niederlagen. Wie 2005 zum
Beispiel im Rennen um die deutsche Meisterschaft im Einer, als Sandra Luptowitsch
Zweite wurde. Ein wenig gesunde Verdrängungstaktik hilft ihr in solchen Momenten:
"Meistens sind dann die Gegner schuld, weil sie zu stark sind. Oder der Trainer
ist schuld", sagt sie. Coach Klaus Klemm hatte ihr tatsächlich in München das
Ruder nicht optimal eingestellt, sie musste mit zu viel Druck gegen den Wind
anfahren. Die von der Sonne braun gebrannte Schülerin zuckt mit den Schultern,
macht eine Handbewegung und wischt die negative Erinnerung einfach weg: "Am
schlimmsten ist es, wenn ich auf Schokolade verzichten muss." Obwohl sie in
der Regel essen kann, was sie will - viel mehr als ihre gleichaltrigen Freundinnen
- muss sie vor Wettkämpfen Diät halten, um in der Kategorie Leichtgewicht zu
bleiben und die verlangten 57,5 Kilogramm zu halten.
Den Herausforderungen der Zukunft sieht die Esslingerin mit gemischten Gefühlen
entgegen. Oben zu bleiben im Rudersport, unter den Besten, sei "ein knallhartes
Brot". Die Mutter sagt es deutlicher: "Wer nicht die Leistung bringt, wird sofort
durch einen Jüngeren ausgetauscht". Sandra Luptowitsch muss sich in den nächsten
zwei Jahren bis zum Abitur entscheiden, was sie aus ihrem Talent macht. Die
Ruderkarriere wird immer nur Nebenbeschäftigung bleiben, denn leben kann sie
davon nicht.
In nächster Zeit will die Schülerin erst einmal Rennerfahrung sammeln und sich
in der Kategorie der Schwergewichte messen. Ihre Trainer attestieren ihr großes
Potenzial. Sie gibt selbst zu, dass sie im Training "noch etwas zulegen" könnte.
Es gäbe schon Ziele, die sie reizen würden, etwa eine WM-Teilnahme, oder bei
Olympia mitzurudern. Aber: Sie will die Balance halten zwischen dem, was sie
aufgeben muss und dem, was sie dafür erreichen kann. Nun muss sie herausfinden,
ob ihr Schwerpunkt außerhalb oder innerhalb des Bootes liegt.