Esslinger Zeitung vom 21.07.2006

Die 17-jährige Sandra Luptowitsch hat im Boot schon viele Medaillen eingesammelt. So lange es ihr gefällt, will sie weiterrudern.     Foto: Bulgrin

Dem inneren Schweinehund davonrudern

Sandra Luptowitsch hat bei den deutschen Ruder-Meisterschaften 1 x Gold und 1x Silber gewonnen
Opfer und Freude am Sport sollen im Gleichgewicht bleiben

Von Dorit Brockmeier

Es gehört zu den schwersten Entscheidungen im Leben einer 17-Jährigen, am Samstag Abend eine Party abzusagen und auch nicht mit den Freundinnen zum Shoppen zu gehen, weil ein paar Trainingseinheiten auf dem Wasser auf sie warten. Aber Sandra Luptowitsch vom RV Esslingen weiß inzwischen, wie sie den inneren Schweinehund austrickst: "Dann rudere ich einfach schneller - oder ich unterhalte mich, um mich abzulenken." Dass mit dem schneller Rudern klappt auch im Wettkampf ganz gut: 2002 wurde sie mit 13 Jahren Baden-Württembergische Meisterin im Einer-Rudern als eine der jüngsten Teilnehmerinnen, 2003 und 2004 ebenfalls. Zwei Mal holte sie sich den deutschen Meistertitel im Kinder- und Juniorenlauf. In diesem Jahr wurde sie Deutsche Meisterin im Leichtgewicht-Doppelvierer der Frauen und zweite im Leichtgewichts-Einer bei den Juniorinnen A. Ganz zu schweigen von den vielen Regatten, die sie auf dem obersten Treppchen beendete. Die Esslingerin ist eines der erfolgreichsten und vielverprechendsten Rudertalente im Land.

Wie es dazu kam? Luptowitsch weiß es selbst nicht so genau. Ihre Mutter, Managerin und Trainerin Cornelia Luptowitsch startet einen Erklärungsversuch: "Sie war schon immer geschickt in sportlichen Dingen. Sie probiert etwas ein paar Mal aus und kann es einfach". Dazu gehören zum Beispiel Judo, Schwimmen, Volleyball, Laufen, Radfahren. Doch das Ruderboot, in dem sie seit ihrem sechsten Lebensjahr sitzt, hatte immer den Bug vorne: "Mir gefallen die frische Luft und die Schnelligkeit." Und im Grunde fielen ihr die vielen Trainingsstunden auch nicht zu schwer, sie habe kein "riesiges Opfer" bringen müssen. Ebenso fällt ihr die Schule - sie besucht die elfte Klasse im Schelztorgymnasium - nicht zu schwer, obwohl ihre Vorbereitung doch zuweilen etwas zu wünschen übrig lasse.

Gesunde Verdrängungstaktik

Bisher klappte alles, was sie sich vorgenommen hat. Natürlich gab es auch Tiefpunkte und ärgerliche Niederlagen. Wie 2005 zum Beispiel im Rennen um die deutsche Meisterschaft im Einer, als Sandra Luptowitsch Zweite wurde. Ein wenig gesunde Verdrängungstaktik hilft ihr in solchen Momenten: "Meistens sind dann die Gegner schuld, weil sie zu stark sind. Oder der Trainer ist schuld", sagt sie. Coach Klaus Klemm hatte ihr tatsächlich in München das Ruder nicht optimal eingestellt, sie musste mit zu viel Druck gegen den Wind anfahren. Die von der Sonne braun gebrannte Schülerin zuckt mit den Schultern, macht eine Handbewegung und wischt die negative Erinnerung einfach weg: "Am schlimmsten ist es, wenn ich auf Schokolade verzichten muss." Obwohl sie in der Regel essen kann, was sie will - viel mehr als ihre gleichaltrigen Freundinnen - muss sie vor Wettkämpfen Diät halten, um in der Kategorie Leichtgewicht zu bleiben und die verlangten 57,5 Kilogramm zu halten.

Den Herausforderungen der Zukunft sieht die Esslingerin mit gemischten Gefühlen entgegen. Oben zu bleiben im Rudersport, unter den Besten, sei "ein knallhartes Brot". Die Mutter sagt es deutlicher: "Wer nicht die Leistung bringt, wird sofort durch einen Jüngeren ausgetauscht". Sandra Luptowitsch muss sich in den nächsten zwei Jahren bis zum Abitur entscheiden, was sie aus ihrem Talent macht. Die Ruderkarriere wird immer nur Nebenbeschäftigung bleiben, denn leben kann sie davon nicht.

In nächster Zeit will die Schülerin erst einmal Rennerfahrung sammeln und sich in der Kategorie der Schwergewichte messen. Ihre Trainer attestieren ihr großes Potenzial. Sie gibt selbst zu, dass sie im Training "noch etwas zulegen" könnte. Es gäbe schon Ziele, die sie reizen würden, etwa eine WM-Teilnahme, oder bei Olympia mitzurudern. Aber: Sie will die Balance halten zwischen dem, was sie aufgeben muss und dem, was sie dafür erreichen kann. Nun muss sie herausfinden, ob ihr Schwerpunkt außerhalb oder innerhalb des Bootes liegt.

Luptowitsch startet in mehreren Kategorien bei den baden-württembergischen Rudermeisterschaften am 22. und 23. Juli in Lauffen.