War es Übermut, war es Abenteuer-Lust oder war
es schlicht und einfach Neugier, die den Wanderruderwart bewog, den traditionellen
Himmelfahrtsausflug der Esslinger Alten Herren als Erstbefahrung der oberen
Donau von Sigmaringen bis Ulm auszuschreiben?
Auf jeden Fall wurde es ein Abenteuer, von dem die 15 Teilnehmer noch in Jahren
nur mit verklärtem Blick und feuchten Augen erzählen werden. Das behauptet jedenfalls
mein Sohn.
Bereits die Vorbereitungen ließen darauf schließen, daß diese Fahrt Überraschungen eigener Art bringen würde. Das Fluß- und Zeltwanderbuch des Deutschen Kanu-Verbandes warnt z. B. vor angriffslustigen Schwänen (mit drei Ausrufezeichen!!!) 3 km hinter Sigmaringendorf, unserem Startort. Wir trafen dann zwar nur einen Schwan an, aber der war tatsächlich angriffslustig!!!
Gleichzeitig bekamen wir hier, am ersten von zahlreichen noch folgenden Wehren, einen Vorgeschmack von der harten Knochenarbeit, die uns während der nächsten drei Tage erwartete. Eines der Grundprinzipien unseres Rudersports, daß nämlich das Boot die Ruderer trägt, mußte wiederholt in sein Gegenteil umgekehrt werden: die Ruderer trugen das Boot. Über das Wehr, durch das trocken liegende Flußbett, bis das Wasser, das inzwischen den Umweg über Kanal und Kraftwerk genommen hatte, wieder ins Flußbett zurück fand und Boot mit Ruderern tragen konnte. Wanderstrecken von 500 m und mehr mit Boot auf Schulter waren durchaus keine Seltenheit!
Eine reizvolle Variante zu dieser Form des Wanderruderns: drei Boote liegen im Fluß, 15 Ruderer laufen in Gummistiefeln im gleichen Fluß und suchen tiefes Wasser. Das fließt ganz in der Nähe: man muß nur die etwa 6 m hohe Böschung hinaufsteigen und steht an einem Kanal mit herrlich ruhigem, tiefem Wasser. Beinahe die ideale Regattastrecke. Wir sind tatsächlich hinaufgestiegen. Mit Boot. Trotz meter hohen Brennesseln. Und nach 3 km wieder hinunter. Da kam nämlich das Kraftwerk.
Gummistiefel sind sehr praktisch. Man kann darin trockenen Fußes durch's Wasser laufen. Solange die Stiefelschäfte höher sind als der Wasserstand! Aber ist erst einmal Wasser im Stiefel, hat auch das seine Vorteile. Man steigt dann im Ernstfall viel schneller und selbstverständlicher in den Fluß. Und der Ernstfall trat ein. Mehrfach sogar. Und wir stiegen jedesmal in den Fluß, ganz schnell und selbstverständlich. Bei Wassertiefen zwischen Oberkante Gummistiefel und Unterkante Hüfte. Denn in dem steinigen Flußbett zwischen Blochingen und Riedlingen war die für uns geeignete ,,Fahrrinne“ in der mit guter Strömung fließenden Donau nicht immer ohne weiteres auszumachen. So wurden unsere Boote liebevoll von Hand über die gefährlichen Stellen hinweggeführt.
Man hatte uns zwar bei der Mittagsrast versichert,
daß wir es ab jetzt wesentlich leichter hätten, da nur noch weiche Steine in
der Donau lagen, aber die Probe aufs Exempel wollten wir lieber doch nicht machen.
Ruderer und ihre Boote kennt man hier nämlich nur aus dem Sportteil der Presse
und vom Fernsehen. Deshalb glaubte man wahrscheinlich, daß die Boote genauso
robust wären wie die Ruderer.
Daß diese Annahme falsch ist, stellte sich wenig später bereits heraus. Es erwischte
uns. Ein heimtückisch unter Wasser verborgener ,,weicher“ Fels riß ein handgroßes
Loch in die harte Klinkerbeplankung unseres Bootes. Da nutzte auch dem Steuermann
seine Verpackung in wetterfestes Ölzeug nichts mehr. Die Donau stieg ihm von
unten die Hosenbeine hinauf und soll ihm zum Hals wieder raus gekommen sein!
Daß das ganze in strömendem Regen stattfand, sei lediglich der Vollständigkeit
halber erwähnt.
Die weichen Steine der Donau
Erkältungen? Im Schwabenland gibt es einige sehr leistungsfähige Schnapsbrennereien, die recht heilsame Wässerchen herstellen ! Und das an einem Feldweg abgelegte, havarierte Boot haben wir am nächsten Morgen auch wieder flott gekriegt. Glasfaser und Zwei-Komponenten-Kleber sind doch recht nützliche Entwicklungen der modernen Chemie!
Wenn dann hinter Riedlingen die ,,Wildwasserverhältnisse“
langsam nachlassen und die Donau sich friedlich gibt, kann man so richtig in
die Riemen greifen und Strecke machen. Aus lauter Begeisterung kann man dann
sogar am Tagesziel vorbeischießen, bis einem sechs Kilometer weiter ein Wehr
die Weiterfahrt versperrt.
Trotzdem bietet auch diese ,,friedliche" Strecke noch genügend ruderische
Leckerbissen. Überraschend auftretende Strömungen, Wehre, Floßgassen sorgen
dafür, daß die Fahrt nicht zu eintönig wird und Steuerleute wie Ruderer immer
wach sein müssen.
Bootstransport statt Umtragen
Aber Wanderrudern ist ja nicht nur sportliche Betätigung, die Kraft und Ausdauer verlangt und vielleicht auch mal an die Grenze der Leistungsfähigkeit geht. Nein Wanderrudern hat noch eine ganz andere Seite.
Sind Sie schon einmal am frühen Morgen mit dem Boot durch ein Vogelschutzgebiet gefahren? Blauer Himmel, die Luft noch frisch, außer dem uns allen bekannten typischen Rhythmus der Riemen, die in den Dollen bewegt werden, kaum ein Geräusch. Sie fahren in einen Stausee ein auf dem Hunderte von Schwänen schwimmen. Plötzlich starten 30 oder 40 Tiere gleichzeitig, drehen ein oder zwei Runder um den See und landen dann wieder. Ein eindrucksvoller Anblick, der uns für manche Strapazen entschädigt, die wir hinter uns und vielleicht auch noch vor uns haben. Selbstverständlich verhalten wir uns friedlich und bleiben in respektvoller Entfernung. Wir halten es für besser, lieber gar nicht erst zu testen, ob es sich hier um angriffslustige oder friedfertige Schwäne handelt. Aber so etwas läßt sich nur schwer beschreiben, das muß man wirklich selbst erlebt haben.
Eines der vielen Wehre
Bei unseren Schilderungen über der Verlauf der Fahrt und die zum Teil recht abenteuerlichen Erlebnisse - immer mit verklärtem Blick, wie schon erwähnt - wurde doch ernsthaft die Frage aufgeworfen ob hier wohl 15 Mann ausgezogen sind, das Fürchten zu lernen?
Die Antwort hierauf kann nur ein - zugegebenermaßen banal - abgewandeltes Zitat aus Ludwig Uhlands ,,Schwäbischer Kunde“ sein: ,,Ein Wanderruderer forcht sich nit ..."
Übrigens, haben Sie vielleicht einen Tip für eine ausgefallene Wanderfahrt? Kennen Sie zufällig ein Gewässer, das bestimmt noch Überraschungen bietet? Dann schreiben Sie doch an den Ruderverein Esslingen am Neckar. Es ist nämlich gar nicht ausgeschlossen, daß uns wieder mal der Übermut packt!
Bericht: Heinz Täuber