Der diesjährige
Neckarpokal ist unweigerlich mit der Frage verbunden:
Was treibt 5 normalerweise vernünftig denkende Menschen dazu, am bisher heißesten
Wochenende im Jahr den Neckar runterzubolzen?
Ist es:
1. Abenteuerlust
2. Dummheit
3. Grenzwerterfahrung
4. Angeberei?
Am Ende des (hoffentlich) sachlichen Berichtes wird darauf eingegangen.
Freitag
9.7.2010 trafen wir (das sind Elke, Frank, Hans-Jürgen, Albrecht und Anke)
uns um 5:30 im RVE, eine Viertelstunde später war das Auto gepackt, das Boot
startklar. Über die ersten Kilometer lässt sich nicht viel schreiben, die
Temperaturen waren angenehm, Schiffsverkehr gab es beinahe keinen. Der
erste Stein im Weg war die Marbacher Schleuse, wo die Bootsbesatzung 45 min
festsaß - aus welchen Gründen auch immer (erst lässt einen der Schleusenwärter
einfahren mit der Hoffnung auf rasches Passieren, dann muss man doch ewig
auf ein Schiff warten).
In Hessigheim gab’s
die ersten Anzeichen von Schwäche-ein bisschen im Schatten sitzen, etwas trinken
und einen Happen essen haben’s wieder gerichtet.
Die Schleuse
Horkheim wird für einen von uns wohl immer einen schalen Beigeschmack haben.
Auf den letzten 17km des Tages wurde die Bootsbesetzung getauscht, ein Ruderer
brauchte eine längere Pause. Aber gerade das macht ein gutes Team aus - man
ist flexibel und springt füreinander ein.
An dieser Stelle
sei erwähnt, dass unsre Art, den Neckarpokal zu fahren, Vielseitigkeit fordert.
Als Schlagmann muss man mit Schleusenwärtern telefonieren, Zeiten notieren,
darauf achten, dass man das Tempo für alle erträglich wählt. Als Bugmann
muss das „gucken“ mit Spiegeln beherrscht werden. Nur durch diesen Stress
lässt sich erklären, dass Schlagmann Anke vor der Schleuse Kochendorf den
einzigen wasserfesten Stift ins Wasser fallen ließ, weil plötzlich das Handy
klingelte.
Bad Wimpfen erreichten wir um 19:45-fertig wie die Kekse, nass - und durchgeschwitzt, beinahe am Ende. Da wundert es niemand, dass wir - jeder mit einem Bier bewaffnet erst mal im abgedunkelten (und daher etwas kühlen) Jugendraum „abhängen“ mussten. Nach dem Duschen waren wir wieder soweit gesellschaftsfähig, um im Maultaschenrestaurant in Bad Wimpfen zu futtern.
Am nächsten Morgen klingelte um 5:15 Albrechts Wecker (er braucht immer ein paar Minuten länger als andere), Franks Wecker ertönte um 5:22 für den Rest der Mannschaft. Beim Einpacken gab es noch einen Zwischenfall, Elke fiel die Sektflasche ( für den km 0) aus den vollgepackten Armen, Hans-Jürgen wollte helfen und wurde von den umherfliegenden Splittern etwas unglücklich getroffen (sein weißes T-Shirt war danach etwas rot gesprenkelt). Wir konnten seine Finger mit Wundauflage und Leukoplast beinahe professionell verarzten (er ist ja hart im Nehmen).
Der Samstag stand wie auch der Freitag unter dem Motto Friedrich Schiller „Die Glocke“: Von der Stirne heiß rinnen muss der Schweiß. Es ist erstaunlich, wo man schwitzen kann! An dieser Stelle möchte ich denjenigen, die den Neckarpokal als „pures Runterbolzen ohne jegliche Kultur“ sehen entgegensetzen, dass wir die Fahrt beinahe als Studienfahrt genutzt haben! Da wir die badische Heimat einer Ruderin durchquerten, gab es natürlich einen kleinen sprachlichen Exkurs, hervorgerufen durch Albrechts geliebte Saitenwürschtle. Würste heißen im Badischen “Wäschtlin“ und - jetzt wird’s kompliziert - die Einzahl ist die „Woscht“. Dann gibts da noch die „Woschtsupp“, das ist die Schlachtbrühe, im Schwäbischen „Metzelsupp“.
Außerdem
: wer wusste, dass 2-3 Magnesium-Tabletten am Tag abführend wirken(oder
war’s doch das Studentenfutter)?
Dass die meisten
Schweißdrüsen an der Handoberfläche liegen?
Dass man 6-7 Liter Sprudel trinken kann und trotzdem dunkelgelb pinkelt?
Jetzt
aber wieder zurück zum Samstag:
Kurz nach dem Wegfahren
gab es eine Bremsen-Attacke, nach Neckarsteinach eine Passagierschiff-Attacke.
Bis auf die Eberbacher Trainingsruderer begegneten uns keine Wanderruderer, erst an
der Neckargemünder Schleuse trafen wir 3 große Kanus, vollbesetzt mit etwas
bedudelten jungen Männern, die dem Landdienst erzählten, sie seien schon 2
km gefahren und es wäre so anstrengend. Wir erzählten nicht, wo wir losgefahren
sind!
In Heidelberg angekommen, genossen wir die Gastfreundschaft des HRK. Ausgiebig duschen und dann ein HRK-Schnitzel auf der Terrasse (trotz einer geschlossenen Gesellschaft), das hob die Lebensgeister wieder soweit, dass wir uns auf die Neckarwiese schleppen konnten und mit hunderten von Leuten auf das Feuerwerk warteten, das uns zu Ehren gezündet wurde (stimmt natürlich nicht, schön war’s trotzdem! ). Sobald die letzte Rakete abgeschossen war, verschwanden wir im gelben (Empacher-) Salon, wo wir in eine komatösen Schlaf fielen, aus dem uns nicht mal die Live-Musik ein Stock höher reißen konnte.
Am Sonntag
war Ausschlafen angesagt - der Wecker klingelte erst um 6:00. Hier sei noch
erwähnenswert, dass wir auch beim Frühstückrichten und Aufräumen ein gutes
Team sind, es läuft völlig reibungslos ab, selbst kleine Wünsche wie weiche
Frühstückseier oder 3min gezogener Schwarztee werden erfüllt.
7:35 waren wir auf
dem Wasser, die letzten km liefen auch recht entspannt und um 10:25 erreichten
wir km 0. Diesmal gab es kein Anstoßen mit Sekt (s. Samstag, Bad Wimpfen),
dafür für jeden noch ein Bier. Der Rest ist schnell erzählt, das Boot musste
aus dem Wasser raus, aufgeräumt und verladen werden. Nach einem
ausgiebigen Vesper fuhren wir zurück nach Esslingen, wo wir gründlich putzten
und (schon wieder) aufräumten.
Doch nun
zurück an den Anfang des Berichtes: was treibt 5 Ruderer dazu, bei Temperaturen
von 35-40°C den Neckarpokal in Angriff zu nehmen?
Es gibt verschiedene
Antworten: auf der einen Seite war es ein Termin-Problem, das Wochenende
war das einzig für alle geeignete. Auf der anderen Seite muss man sich z.
B fragen, warum mancher ins Gebirge auf einen 3000er steigt, obwohl klar ist,
dass dort oben Schnee liegt und es nicht ein einfacher Spaziergang wird?
Die Lösung ist ganz einfach: es macht Spaß und befriedigt einen im Nachhinein
saumäßig, dass man es überhaupt geschafft hat!
Aber: wir haben aus der ganzen Sache gelernt! Bei solch hohen Temperaturen fahren wir nicht mehr - das nächste Mal probieren wir es bei Schneegestöber!
Anke Gähr