Warta -Uwaga
Teil2

Dienstag 6.September

Am Dienstagmorgen packten wir unsere Sachen in Kornik zusammen und begaben uns zu unseren Booten. Das Mittagsvesper war in Oborniki (Km 206,3), die Endstation in Obrzycko (km 183,4l). An diesem Tag war deutlich, dass die Bootseinteilung erhöhte Aufmerksamkeit erfordert und das Zeitmanagement im Boot Regelungen hinsichtlich kleiner menschlicher Bedürfnisse benötigt, die klären, ob ein Anlegen erlaubt wird oder, ob die Geschäfte im Reihen - oder Paralellverfahren zu erledigen waren.
Als Abendsport hat sich die Fahrtenleitung nach Rücksprache mit "vertrauenswürdigen" Anglern eine Bootslagerung im eingezäunten Vorgarten eines wiederum "vertrauenswürdigen" Einheimischen einfallen lassen. Dazu war ein kurzer motorunterstützter loser Bootstransport erforderlich. So blieb die mitgebrachte Kette mit Schloss ohne Einsatz.



"Loser Transport"

Am Lagerfeuer gab's die zur Stimmung passende Musik von Leonard Cohen

Der Höhepunkt des Tages stand der Gruppe aber noch bevor. Die lauschige private Null-Sterne-Campinganlage von Chorzepowo. Die junge Frau am Empfang sprach hervorragend deutsch, denn sie arbeitet in Berlin. Die Lage an der Warthe war hervorragend. Bewacht wurden wir von 2 Hunden sowie einem Schützen, der aus einem Schaukelstuhl mit einem Luftgewehr auf einer Zielscheibe seine Treffsicherheit einübte. Wir waren spät dran und freuten uns daher unser Fleisch auf dem bereits in Betrieb befindlichen Grill zu garen. Der Hit waren aber die sonstigen Einrichtungen. Neben einem Plumpsklo gab es eine von außen zugängliche Toilette mit integrierter Dusche, die mit einem Haken abschließbar war sowie die Toilette des Hausherren, die mittels eines Holzstückes zu schließen war, das man zwischen Wand und Türgriff klemmte. Zum Geschirrwaschen durfte man die enge kleine Küche des Hausherrn nutzen.


Das Hausboot des Campingplatz Besitzers

Am Lagerfeuer konnten von einigen Teilnehmern noch tiefschürfende Gespräche - auch mit Einheimischen - geführt werden. Dabei erfuhr man, dass der Fluss in Zukunft touristisch besser erschlossen werden soll. Dafür wird aufgerüstet. Auch unser Hausherr ist deshalb im Winter in Posen und im Sommer hier um in einer überaus bemerkenswerten, sowie schwer zu beschreibenden Bauweise den Ausbau fortzusetzen.

Mittwoch 7. September

Am Mittwochmorgen war es feucht. Wir wurden zwar mit Kuhmilch, Eiern, Brot und Kuchen versorgt, aber bis auf die Eier kam alles nach unserem frühen Frühstück. Zurück zu den Booten hatte das Navi ständig 2 Sprüche parat: einmal "die Route wird neu berechnet" und zum anderen "beachten sie die Höchstgeschwindigkeit". Nachdem wir unser Boot wieder bei dem freundlichen Angler aus dem Vorgarten abgeholt hatten war es auch schon 11 Uhr bis wir dann aufs Wasser kamen. Kaum ein paar Meter gerudert bedachte uns Petrus mit etwas Nass von oben. Nach 26 Kilometern war In Sierakow Mittag. Nachmittags ruderten wir an unserem Campingplatz vorbei (km 137r), die Köche im Dreier stiegen aus, damit das Essen dieses mal auch rechtzeitig und noch bei Tageslicht eingenommen werden konnte. Leider hatte der Landdienst vergessen den Besteckkoffer aus dem Bus zu nehmen und so gab's die Spezialität, die wir ja schon in Ungarn praktiziert hatten, Braten Salzkartoffel und gemischten Salat, nur mit dem Taschenmesser zubereitet. Der Rest fuhr weiter nach Miedzychod (km 128l). Die Boote konnten wir auf dem Gelände der Wasserschifffahrtsverwaltung sicher lagern. Danach ging es zurück auf unseren Null-Sterne-Camping.


Ein kurzer Regenschauer

Ein lauschiger Platz nach dem Regen

Donnerstag 8. September

Am nächsten Tag wurden die Zelte nass eingepackt, nachdem wir trocken auf einer Baustelle mit einer Überdachung frühstücken konnten. Die Eierschalen gönnten wir den freilaufenden Hühnern und ansonsten verließen wir den skurrilen Ort, der viele gebrauchte Gegenstände wie Anker, Kühlschränke, Beinprothese usw. beherbergte. Die Bedeutung von Klopapier ist an diesem Vormittag infolge Verknappung deutlich angestiegen. Der Tag sollte zum Härtetest werden. 71 Kilometer für Hintern und Hände: "wer macht denn wo was?" 82 km waren es für den Dreier, mit den Köchen des Vortages, die ja schon am Campingplatz ausgestiegen waren. Übrigens nur ein Teilnehmer musste während der Tour seinem Hintern besondere Aufmerksamkeit zukommen lassen, an der er auch andere teilhaben lassen musste.


Sind auch irgendwo die Stechpaddel?

Alles muss raus!

Kaum abgelegt gab es den ersten Regenguss - wohl dem der ein trockenes Hemd aus der Tonne hervorzaubern konnte! Den ganzen Tag gab es Gegenwind und Wellen - wobei der Fluss schon eine sehr ansehliche Breite angenommen hatte. Das Mittagsvesper wurde in Skwierzyna (km 92,2l) ohne Regen gereicht. Danach wurde noch bis zum Ruderleistungszentrum nach Gorzow Wielkopolski (km 57,6l) gerudert. Gott sei Dank hat der Landdienst den Preis für die Betten mit Dusche in den Dreibettzimmern auf ein finanzierbares Maß heruntergehandelt, so dass wir nach dem Wolkenbruch auf den letzten vier Kilometern anlegen und ausheben konnten. Für die nassen Klamotten wurden uns 5 Wäscheständer zur Verfügung gestellt und die Duschen waren vom Feinsten mit Radio, Telefon, Massageduschköpfen an der Seite und ein Duschkopf an der Decke. Das ganze Zentrum war ca. ein halbes Jahr alt, der Parkplatz trotz Einzäumung videoüberwacht und die Rennboote alle sehr neu. Die Bootshallen waren sehr geräumig. Eine davon diente uns als Aufenthaltsraum.

   
Sehr geräumige Bootshallen im neuen Ruderleistungszentrum von Gorzow Wielkopolski

Freitag 9.September

Am nächsten Morgen begrüßten uns frühe Sportler im Schüleralter mit einem fröhlichen "Guten Morgen". Das Frühstück wurde kulturell angereichert. Ein Kamerad trug ein besonderes Geburtstagsgedicht vor. Im Anschluss wurde gesungen. Nachdem von dem netten Haufen alle zugelangt haben um aufs Wasser zu kommen, hatten die einen bis Swierkocin (km 28,5r) zu rudern und der 2-Mann-Landdienst 40 km zu fahren sowie einzukaufen. Beim Bier nahm der Laden nur die Flaschen ohne die Kisten, da sie nicht von ihm waren, obwohl der Laden auch solche Kisten im Angebot hatte. Nun stellte sich das Problem, wie verlangt man 1,5 Kilo Wurstaufschnitt? Wie war das mit den Sprachen? Mit "Händen und Füßen" ging es auch! Aber nach dem schwierigen Kunden hatte sich an der Wursttheke eine Schlange von ca. 10 Personen gebildet. 3,5 Kilo Gulasch vom Rind gab es mit pantomimischer Überzeugungskraft beim Metzger nebenan. An den 3 Postkarten mit 3 Briefmarken sind wir jedoch kläglich gescheitert; im Gegensatz dazu gelang das mit den 3 Paletten Dosenbier prächtig.

Die Ruderer stießen bei ihrer Pause nochmals mit Sekt auf das Geburtstagskind an und ließen es hochleben. Die Mittagspause konnte in der Wasserschifffahrtsverwaltung in einem sehr gepflegten Anwesen verbracht werden. 2 nette fleißige Damen gewährten uns Einlass in eine überdachte Laube mit Tischen und Bänken und öffneten uns auch eine Toilette, so dass wir die wenigen einsetzenden Regentropfen ignorieren konnten.

   

Regenfrei konnten wir bis Kilometer 0 an der Mündung in die Oder am Nachmittag unseren Sport betreiben. Damit erreichten wir auch die polnisch-deutsche Staatsgrenze. Dort hoben wir die Boote aus. Es ging zurück zum Leistungszentrum, wo sie gereinigt wurden. In der Bootshalle kam es zu ausgiebigen Erfolgsfeierlichkeiten. Bei diesen wurde festgestellt, dass die Wanderfahrtplanungen wie immer 1:1 umgesetzt wurden, zum wiederholten Male konnten 15 Mann nicht klären wie man richtigerweise zu rudern hat, es wurde Vereinsgeschichte weitergegeben und überhaupt über den Verein diskutiert. Damit die Gespräche erleichtert und verlängert wurden kamen mehrere schwäbische Teppiche auf Bierbänken zum Einsatz. Zu vermerken ist auch, dass es Teilnehmer gab, die mit dem Ende der Fahrt Kleidungsstücke abzuwracken hatten.

Nach diesem Abendprogramm konstatierten die Frühstückenden, der Fahrtenleiter fehlt. Er und seine zwei Zimmergenossen hatten wohl vor Erschöpfung verschlafen. Trotzdem konnten wir das Leistungszentrum um 9 Uhr verlassen und 2 Stunden über polnische Landstraßen Richtung Frankfurt/Oder "cruisen" sowie nebenbei unsere Zloty vertanken. In einem Autohof in Thüringen im Westernstil gönnten wir uns ein Mittagessen, das wir auf einer Kuhhaut einnahmen. Um 20.30 Uhr kamen wir in Esslingen an. Dann packten alle nochmals zu und bis 22 Uhr war abgeladen, und die zwei nassen Zelte standen zum Trocknen. Damit hatten alle gruppendynamischen Prozesse und Diskussionen ein Ende und die Vorfreude auf die Wanderfahrt 2012 auf der Donau von Budapest nach Novi Sad nahm ihren Anfang - zumal mit dem Restgeld von ca. 200 Euro bereits ein solider Grundstein gelegt ist.

Bernhard Freisler

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