Die traditionelle AH-Wanderfahrt führte dieses Jahr nach Brandenburg auf die Havel. Die Fahrt einschliesslich je einem Tag An- und Rückfahrt war vom 13. bis 19. Mai. Von Potsdam ruderten wir über die Städte Ketzin, Brandenburg, Plaue und Rathenow bis zur kleinen Hansestadt Havelberg, kurz vor der Mündung der Havel in die Elbe.
Um einige Eindrücke der Fahrt vorweg zu nehmen: das nordöstliche Brandenburg ist dünn besiedelt und in den Dörfern und kleinen Städten scheint die Zeit gelegentlich stehen geblieben zu sein. Welcher Gegensatz zum nahen Berlin! Die Landschaft ist von der Havel, ihren Altarmen und Seen geprägt, umsäumt von Auwald und feuchten Wiesen. Nördlich der Stadt Brandenburg gibt die Havel häufiger den Blick auf weite Felder und am Horizont auch mal einen Wald frei.
Zum Gelingen der Fahrt trugen auch die günstige An- und Rückfahrt und das gute Wetter bei. Die Autofahrten über Würzburg, Schweinfurt, Thüringer Wald, Erfurt, Jena, Dessau nach Potsdam bzw. von Havelberg über Brandenburg dieselbe Strecke zurück konnten ohne Verzögerung durch Staus u. Ähnliches zügig bewältigt werden, so dass eine frühe Ankunft noch das Aufriggern der Boote ohne Streß und einen ruhigen Abend erlaubten.
Entgegen dem heimischen Wetter in BW war über alle 5 Rudertage gutes Wetter in Brandenburg: kühl und sonnig, allerdings gelegentlich auch windig und kalt. Blickt man auf frühere Wanderfahrten zurück, so war das nicht immer so!
Teilnehmer:
Mit 18 Teilnehmern war das Interesse so groß, dass beide Fahrzeuge voll besetzt waren und mit drei Vierern gerudert werden konnte. Das durchschnittliche Alter der Teilnehmer betrug 68 Jahre, der Jüngste war 53, der Älteste 82 Jahre alt! Teilgenommen haben: Fritz Baier, Uli Beh (stv. Fahrtenleitung), Klaus Berkemer, Hans-Jürgen Eberhardt, Heinz Kleemann, Achim Lempart, Fred Loos, Peter Luidhardt, Rudi Neumann, Fritz Schiller, Günter Schroth, Lothar Schweizer, Hans-Reinhart Strehler (Fahrtenleitung), Wolfram Strehler, Manfred Strutz, Ralf Stürner, Ralf Stybalkowski, Johannes Trelenberg (RC Ratzeburg).
Ruderstrecke und -etappen:
Die geruderte Strecke betrug insgesamt 190 Fluß-km, die sich in folgende Etappen aufteilte:
Wochentag |
Etappe |
Ruderkilometer |
Montag |
RG Potsdam im Templiner See – Potsdam Babelsberger Enge und Glienicker Brücke – Schwielowsee – Großer Zernsee – Ketzin RC |
33 |
Dienstag |
Ketzin RC – Brandenburg Regattastrecke im Beetzsee - Campingplatz Butzow |
44 |
Mittwoch |
Campingplatz Butzow – Malge im Breitlingsee – Plaue RV |
33 |
Donnerstag |
Plaue RV – Premnitz (Milow) – Rathenow |
35 |
Freitag |
Rathenow – Schleuse Schollene - Havelberg |
45 |
Gelegentlich zur Brise auffrischender Wind mit schaumgekrönten Wellen forderte am Mittwoch auf dem Breitlingsee die Mannschaften und Steuerleute. Eine weitere Herausforderung für Ruderer und Steuermann war die schmale, niedrige und flache Durchfahrt in der Halbinsel Wusterau zwischen Breitlingsee und Plauer See. Am Ende dieser Tagesetappe erwischte uns der einzige "Regenguß" - beim Anlegen am Steg! Auf der Rückfahrt zum Hotel kamen wir dann in heftigen Hagel. Am Freitag hatten wir häufig Schiebewind, der es uns in Pausen erlaubte, ohne Rudern mit senkrecht gestellten Blättern zu "segeln" und damit bis zu 7 km/h vorwärts zu kommen.
Wohin? Wer lesen konnte,
war klar im Vorteil.
Hans-Reinhart Strehler hatte die Fahrt sehr gut vorbereitet. In seiner Einladung per Mail an die Teilnehmer hat er die Strecke, Etappen, Unterkünfte, Bootsliegeplätze usw. beschrieben. Zur Einstimmung hat er gleich Theodor Fontanes Gedicht "Herr von Ribbeck auf Ribbeck im Havelland" mitgeschickt. Karten und Wegbeschreibungen für jedes Boot und die Begleitfahrzeuge waren gefertigt und die Mannschaftseinteilung und der Landdienst ebenfalls voraus geplant.
In dieser Einladung fand sich folgende interessante Bemerkung: „Wenn Ihr euch die Strecke mal auf der Karte anschaut werdet ihr feststellen, dass es jede Menge Abzweigungen gibt, so dass der Steuermann ständig gefordert ist den rechten Weg zu finden. (Vielleicht geht es aber auch einfacher wie befürchtet).“Seine Prognose war (aus Erfahrung) zutreffend: Es gab durchaus ab und an bei Abwesenheit des Fahrtenleiters eine Diskussion verschiedener Steuerleute über den „richtigen Weg“ – letztlich fanden alle Boote zum Ziel.
Übernachtet hatten wir in Hotels: 2 Nächte in Ketzin und 4 Nächte in Premnitz, dort in Hotels mit dem Namen"Superbowl“ oder „Retorte“. Die Anfahrten zu den Booten verlängerten sich dadurch etwas, aber es entfiel der tägliche Quartierwechsel und das damit verbundene Packen. Eine lokale Spezialität ist der Beelitzer Spargel. Die Spargelfelder und die Erntekolonnen hatten eine Größe, die wir bislang nicht kannten.
Unerwartetes und Abwechslung:
Neben dem Ruderspaß und der attraktiven Landschaft wurde unsere Fahrt durch einige Spannungsmomente angereichert:
Auf der Autobahn machte uns ein schleifendes Scharren auf den Teilverlust des Stützrades des Bootsanhängers aufmerksam; verloren war bereits der Reifen. In einem Baumarkt konnte ein komplettes Ersatzstützrad samt Teleskopstütze für € 19,99 erworben werden – wir hätten eigentlich gleich mehrere Stück kaufen sollen! Glücklich am RC Potsdam angekommen, stiegen Alle bis auf den Hängerfahrer aus, um nach einer geeigneten Zufahrt für den Bootsanhänger zum Sattelplatz zu suchen. Eine solche Zufahrt wurde auch gefunden, allerdings war sie recht eng und in einer rechtwinkligen Kurve zugeparkt. Eine kleine Unaufmerksamkeit des Fahrers – er hatte seinen Blick auf eine andere Engstelle gerichtet - reichte aus, ein parkendes Fahrzeug und den Hänger zu beschädigen.
hier stand das Fahrzeug (rote Markierung) - warum haben Rudervereine eigentlich
immer so tolle Zufahrten?
Am Montag war es am Lehnitzsee schwer, eine zum Mittagessen geeignete Stelle am Ufer zu finden. Überall Zäune bzw.Schilder „Privatgrundstück - Betreten verboten“. Irgendwann hatte der Landdienst eine zum Anlegen und Mittagessen geeignete Stelle gefunden. Mitten in unserer Mahlzeit fuhr ein älterer Herr mit dem Schlepper vor, um uns über die zulässige Nutzung von Privateigentum aufzuklären. Vom Landdienst sachlich und geduldig vorgetragene Argumente über unser Verhalten (nur Mittagessen, kein Müll und Schaden usw.) schienen diesen Herren „alten Schlages“ wenig zu beeindrucken – seine Drohung mit dem Hund erwies sich zum Glück als Bluff.
Mittags und abends, es war immer
reichlich gedeckt
Am Mittwochmorgen durchquerten wir auf der Rückfahrt durch den Beetzsee erneut die imposante Regattastrecke Brandenburg. Viele Trainingsboote – vorwiegend Jugendliche – waren dort unterwegs. Als sich das Trainermotorboot mit anderen Booten im Startbereich aufhielt, kippte zwei Kilometer entfernt im Zielbereich ein Mädchen mit ihrem Renn-Einer um. Das Wasser war kalt und das Kind recht hilflos. Wir ruderten hin und unser Steuermann Johannes zog es aus dem Wasser. Dabei leistete er dem ehrgeizigen Mädchen, das um seine Chancen bei den brandenburgischen Meisterschaften bangte, moralischen Beistand. Der zweite Vierer brachte den gekenterten Einer an den Steg. (Die gerettete "Lütt Dirn" Jenny hat dann doch noch bei den Meisterschaften im Mixdoppelvierer Jungen/Mädchen 10/11 Jahre Gold gewonnen.)
Kühles Wetter mit
leichter Briese aber dazu meistens blauer Himmel und blaues Wasser.
Einen freundlichen Empfang hatten wir am Donnerstag – Vatertag. Da wurde der Landdienst in Milow am zum Mittagessen ausgesuchten Platz vom Ortsvorsteher mit Handschlag begrüsst – wir waren ihm seriöser erschienen als die an diesem Tag häufig herumziehenden jüngeren Männer mit viel Bier und lauten Voovoozelas.
Die von Hans-Reinhart Strehler geplante tägliche Ruderstrecke zwischen 33 und 45 km erlaubte stressfreies Rudern, kulturelles Beiprogramm und abendliche Unterhaltung. So wurde am Montagabend der Garten von Schloß Sanssouci und nach dem Abendessen das holländische Viertel in Potsdam besichtigt.
Donnerstag Abend zeigten mehrere Ruderer, dass sie auch hervorragend bowlen konnten. Ich selbst war da weniger erfolgreich, aber die geduldige Anleitung von Hans-Reinhart Strehler zeitigte doch gewisse Erfolge, die sich jedoch in der Platzierung noch nicht ausdrückten. Spaß hat’s alle Mal gemacht – ohne die Ruderer wäre ich nie bowlen gegangen! Die Bedienung an den Bowlingbahnen war zudem so freundlich, uns unser Geschirr (Vesperbrettchen und Besteck) in einer Spülmaschine zu spülen. Am Freitgabend, zum Abschluß der Fahrt, unternahmen wir einen kurzen Abstecher an den Gülper See, ein Vogelschutzgebiet europäischen Ranges. Auch als Schlafplatz für Kraniche gewinnt er immer mehr an Bedeutung – im Oktober 2006 verbrachten hier zeitweise an die 10.000 dieser beeindruckenden Großvögel die Nächte. Leider waren alle Vögel ausgeflogen, als wir dort vorbeikamen. Eine weitere Sehenswürdigkeit ganz in der Nähe haben wir dann nicht mehr besucht, den Gollenberg, den der Segelflugpionier Otto Lilienthal seit 1894 nutzte als regelmäßigen Ausgangspunkt für seine Erprobungsflüge und wo er letzendlich auch abstürzte.
Auch bei detaillierter Planung bewies die Mannschaft Flexibilität und war zu kurzfristigen Abweichungen von der Bootsbesetzung bereit: Am Vatertag ermöglichte ein kurzfristiger Tausch das Mitrudern eines Gastes. Ralf Stürner wurde von einem früheren Arbeitskollegen gebeten, eine Etappe mitzurudern zu dürfen. Dieser Kollege erwähnte ihm gegenüber, dass er in seiner Jugend Trainingsruderer in Berlin war, und es sein Traum sei, einmal auf einem Gewässer wie der Havel mitrudern zu können. Nach Absprache mit Fahrtenleitung und Mannschaft wurde ihm dieser Wunsch erfüllt. Die Fahrt gestaltete sich etwas schwieriger als erwartet – er war vor 35 Jahren Trainingsruderer und technisch und konditionell nicht ganz auf dem Niveau der Mannschaft. Es hat ihm trotzdem Spaß gemacht und zum Abschied stärkte er die Mannschaft mit den Schokoriegeln, die verbrauchte Energie sofort zurückbringen. Unser Fahrtenleiter nutzte die Gelegenheit und bot ihm an, doch zur Auffrischung zum Ruderverein Esslingen zu kommen.
Damit die nicht von Staus gehinderte Rückfahrt nicht zu spannungsarm verlief, haben wir uns als Abenteuer das Betanken der Fahrzeuge gegönnt: Dem Fahrer fiel nahe dem Weinsberger Kreuz ein, dass er gleich jetzt sofort tanken müsse. Der ortskundige Navigator lotste ihn dann zielstrebig zu einer Tankstelle bei Ellhofen. Die war aber nicht besetzt und nur Tanken mit Geldautomat möglich. Das war dem Fahrer suspekt, da er darin keine Erfahrung hatte. Also weiter mit Hilfe des Navigators zielstrebig zur nächsten Tankstelle. Der Sprit war nicht billiger und auch dort war nur Tanken mit Geldautomat möglich. Der Tankvorgang und die Bezahlweise wurden vielstimmig angeleitet, ebenso das Herausfahren aus der Tankstelle, wo der Hängerfahrer „um einen Boller herum“ ausholen musste. Angesichts der Erfahrung auf der Anfahrt erhielt der Fahrer dieses Mal vielseitige Hinweise zum Verlassen des Geländes, so dass weitere Schäden sicher vermieden wurden.
Abschluß:
Die Fahrt war – wieder einmal – schön und die Mannschaft zufrieden. So etwas sucht nach Wiederholung: manche Teilnehmer begannen bereits, Pläne für die Fahrt im kommenden Jahr zu schmieden.
Bericht: Ralf Stürner und Fred Loos