26.  TRIMMFAHRT  AUF DER ELBE

 

vom 8. bis 15. September 2001, von Torgau bis Dömitz

 

Die Elbe ab Torgau gilt nach landläufiger Meinung als uninteressant, weil keine größeren Städte und Berge zu finden sind und die Landschaft topfeben ist. Weil schon viele von uns die Elbe ab Decin kennen, interessierte uns, wie es in Richtung Hamburg weitergeht. Bei ersten Blicken auf die Landkarte stellten wir fest, daß Städte wie die Lutherstadt Wittenberg, die Stadt Dessau mit dem berühmten „Bauhaus“ und Magdeburg an unserer Strecke liegen. Also, Kultur pur.

 

Was Ruderer aber mehr interessiert ist, wie lässt sich auf der Elbe rudern? Ordentliche Strömung und keine Schleusen, das war ungewöhnlich für uns. Das versprach viele km. Da sich diese Fahrt ja Trimmfahrt nennt und deshalb viele km pro Tag mit unser Ziel war, gab es keinen Grund mehr, die Elbe als Wanderruderrevier nicht zu wählen. Auch das Interesse an dieser Routenwahl war groß und es fanden sich immerhin 16 Ruderer bereit, die diese „langweilige“ Strecke kennen lernen wollten.

Daß diese Fahrt stattfinden konnte, dafür danken wir besonders Stybi, der seit dem Tod von Dieter Maier, und folglich auch dieses mal, die Fahrtenleitung übernahm. Die Organisation machte perfekt Heinz Kleemann, und Manfred Strutz führte uns weg vom Rudern zu den kulturellen Höhenpunkten, die auszulassen eine Sünde gewesen wären.

 

Teilnehmer waren:           Fritz Baier                                  Hans Reinhart Strehler

                                           Manfred Strutz                           Werner Hannig

                                           Fritz Schiller                               Peter Rotter

                                           Peter Luidhardt                         Dirk Johanning

                                           Wolfram Strehler                       Dirk Janthur

                                           Hans Jürgen Eberhardt            Mathias Kötter

                                           Hobe Schröder                          Heinz Kleemann

                                           Ulrich Glaser                              Ralf Stybalkowski

 

Der erste Tag war eine Nacht. Wir fuhren, wie auf diesen Fahrten üblich, abends, nachdem wir unseren Küchenanhänger beladen hatten und noch ein Glas Bier im Bootshaus auf das gute Gelingen unserer Fahrt getrunken hatten, in die Nacht hinein, mit dem Ziel Torgau. Die Anfahrtsstrecke führte uns, meist im Regen, über Heilbronn-Nürnberg - Leipzig und im Morgengrauen nach Torgau. Hier fanden wir nach kurzem Tankstop rasch das Bootshaus und jemand der uns erwartete. Wir durften in einem Clubraum unser Frühstück bereiten, und saßen um einen großen Tisch und vor allem im Trockenen. Zuvor hatten wir unsere Boote „Helene“, „Schwaben II“ und „Staffelsteiger“ im Regen aufgeriggert. Wir fragten uns alle, geht das Regenwetter so weiter? ,  in Hamburg wurde Sturmwarnung gegeben!! Gebremst hat uns diese Frage allerdings nicht. Nach unserem Frühstück, inzwischen war es Samstag, 8.9. 8 Uhr, und Anlegen von wasserfester Kleidung, waren wir ruderbereit und brachten unsere Boote (bei Flusskilometer 155) zu Wasser. Erstaunlicherweise wurde der Regen weniger, vermischte sich mit Sonne, so daß wir nach Regen immer wieder trockneten. Mit was wir allerdings leben mussten, das war ein kräftiger Wind, natürlich von vorn, der uns nur selten verließ. Ausgeglichen wurde der Wind allerdings durch eine kräftige Strömung. Die ist an der Elbe wohl immer vorhanden, war aber durch die Regenfälle noch verstärkt. Man hatte zunächst das Gefühl man bleibt im Wind fast stehen, aber der Blick zum Ufer zeigte uns, daß wir recht gut weiterkamen. So kam auch bald die Mittagsrast nach 30 geruderten km in Sicht. Wir waren an der Fähre in Pretsch und hatten es mit einer Gierfähre zu tun. Dies erfordert einige Vorsicht, daß man nicht über das Halteseil rudert, denn das kann gefährlich werden. Dank Handys lotste uns der Landdienst sicher ans Ufer, direkt neben die Fähre. Das Fährhaus ist eine gute Gaststätte in der wir gut essen konnten, guter Laune waren und „Ententeich“ tranken. Auf Essen im Freien konnten wir bei diesem windigen Wetter getrost verzichten. Das Tagesziel war der RC Wittenberg, das ich als Nachmittagslanddienst erreichte. Bedingt durch das schlechte Wetter hatte uns Heinz hier bereits angemeldet für eine Übernachtung im Bootshaus. Wir mussten also keine Zelte aufstellen. Mit geringen Erwartungen kamen wir an und staunten nicht schlecht, hier ein neues „Haus des Sports“ vorzufinden. Da konnten wir allerdings nicht übernachten, es war ein Fest im Haus und wir mussten uns mit dem alten, aber riesigen Kraftraum mit Ruderbecken aus DDR-Zeiten begnügen, durften aber die neuen Duschen und WC-Anlagen benutzen. Hier hatten wir Platz für unsere mobile Küche und konnten uns selbst versorgen. Wir überlegten uns, hier gleich für 2 Nächte zu bleiben. Wir brauchten Zeit um unser geplantes Kulturprogramm in und um Wittenberg zu bewältigen

Am nächsten Tag, Sonntag, dem 9.9. können wir direkt vor unserem Quartier nach dem Frühstück aufs Wasser gehen  und bei Regen, Wind und Kälte an Wittenberg vorbei nach Coswig rudern. Unser Landdienst holte uns dann wieder zurück in unseren Kraftraum zu einem Vesper mit heißem Tee, dank Uli Glaser mit „Klarem“ verbessert. Das tat gut. Nun durften wir uns landfein machen und ab ging's nach Wittenberg. Als erstes besichtigten wir die Schlosskirche, an deren Türe die 95 Thesen von Martin Luther in Bronze gegossen sind. Als Fremdenführer betätigte sich für uns Mathias Kötter, als ob er das jeden Tag machen würde. Das nächste Ziel war die mit 2 Türmen versehene Stadtkirche, in der Martin Luther tätig gewesen ist. Wir bestiegen die Türme und erlebten von oben einen herrlichen Blick und einen Wind, der nur kurze Zeit den Aufenthalt im Freien erlaubte. Eindrucksvoll aber kalt. Wieder unten angekommen, besuchten wir noch das Haus des Reformators Melanchthon, des engsten Mitarbeiters von Martin Luther. Nun ging es wieder zurück in unseren Kraftraum. Die einen sofort zum Gulasch mit Reis kochen, die anderen etwas später nach einem kurzen Cafe-Besuch. Der Gulasch war hervorragend und die anschließende Diskussion, wo wir die nächste Nacht Unterschlupf finden, intensiv. Heinz kam vom Handy kaum mehr los. In Anbetracht des Wetters und der Tatsache, daß wir bisher überall sehr freundlich aufgenommen wurden und immer jemand Zeit hatte uns zu betreuen, hatten wir auch wenig Lust Zelte aufzubauen.

 

Montag, 10.9. unsere Boote waren bereits in Coswig, also mussten wir mit unseren Bussen dorthin fahren. Unser Gepäck nahmen wir mit, die nächste Übernachtung war beim RC Aken geplant. Zuvor stand aber noch einiges zu besichtigen an. Direkt fuhren wir zu den Wörlitzer Anlagen. Weltkulturerbe, angelegt ab 1764, die Besichtigung ein absolutes Muß. Mathias führte uns wieder mit viel Kenntnis und in Rekordtempo bei gerade noch erträglichem Wetter. Es gab lediglich einen Zeitverzug, weil wir Uli Glaser fast verloren hätten. Er musste mal.

 

Gegen 13 Uhr waren wir an den Booten, die bei Coswig lagen. Schnell in die Boote und weiter. Bei Wolken, Sonne und starkem Gegenwind, aber wärmer, ruderten wir bis auf die Höhe von Dessau. Pause. An einem Motorboot Yachthafen holte uns unser Landdienst zu einer Stärkung aus der Hand an Land. Nun stand uns noch ein hartes Stück Arbeit bevor. Bei Wind und Wellen, bis an die Grenze des Möglichen, erreichten wir gegen 18 Uhr den RV Aken. Auch hier wieder Menschen, die anscheinend nichts anderes zu tun hatten, als uns Gesellschaft zu leisten und uns ihren gut geheizten Clubraum für unsere Eigenverpflegung zur Verfügung zu stellen. Es wurde ein gemütlicher Abend, sogar mit einem Flaggentausch.

 

Dienstag, 11.9. Wir sind noch in Aken. Auf dem Programm steht, um 7,45 Uhr frühstücken, dann Dessau und Bauhaus besichtigen. Also im Clubraum Ofen heizen und Kaffee kochen. Dann ab in die Busse nach Dessau, das durch das BAUHAUS und mehr noch im Krieg durch die Junkers Flugzeugwerke bekannt ist.  Zuerst besichtigten wir die Meisterhäuser von Paul Klee und Kandinsky, dann das BAUHAUS selbst (Schule)  und zuletzt noch das Kornhaus an der Elbe. Die Besichtigung der Stadt Dessau musste ausfallen. Die Zeit war zu kurz und das Wetter zu schlecht. Deshalb fuhren wir kurz entschlossen zurück zu unseren Booten am RC Aken. Noch 47 km waren es bis Magdeburg. Dort waren wir beim MRC angemeldet. Mit einem Zwischenstopp in einem Kanuclub bei Schönebeck, mit Verpflegung durch den Landdienst, bewältigten wir auch diese Strecke trotz gewohntem Gegenwind und gelegentlichem Regen, im vorgesehenen Zeitrahmen. Beim Magdeburger Ruderclub angekommen, durften wir uns in einem kleinen Clubhaus breit machen und in einer Sauna aufwärmen. Der Flur diente uns als Aufenthaltsraum und wieder mal, allerdings ein sehr kleiner Kraftraum, als Schlafraum. Das totale Umräumen dieses Raumes wurde geduldig ertragen. Wieder einmal hatten wir das Gefühl, daß wir willkommen und nicht nur geduldet waren. Mitten in dieser Zufriedenheit wurden wir plötzlich mit der rauhen Wirklichkeit konfrontiert. Irgendeiner schaltete das obligatorische Kraftraumradio ein und wir erfuhren von den Terroranschlägen in New York. Fernsehbilder und damit die ganze Tragik bekamen wir erst einen Tag später in einer Gaststätte zu sehen. Für heute mussten wir weitermachen. Unsere Küchenspezialisten stellten Geschnetzeltes mit Reis, gekocht am Küchenanhänger, der vor dem Haus im Regen stand, auf den Tisch.

 

Mittwoch, 12.9. Nach einer Regennacht ruderten wir bei trockenem und später sonnigem Wetter von Magdeburg weiter. ca. 65 km standen bis Tangermünde vor uns. Zunächst kamen wir bis Rogätz, wo uns der Landdienst vor einem neu erbauten Kanuclub auf edlem Pflaster mit gedeckten Vespertischen empfing. Nun störte uns keine Besichtigung mehr und wir durften rudern und rudern und rudern und das bei wenig Wind und phantastischer Mischung aus blauem Himmel mit Wolken und einer immer weiter werdenden Landschaft. Gegen 18 Uhr erreichten wir den Tangermünder Ruderclub, der uns beherbergte. Wir erhielten einen großen Raum zugewiesen, in dem wir uns verpflegen und auch schlafen konnten. Nach dem Abendessen, es wurde schon dunkel, machten wir noch einen Spaziergang durch Tangermünde und waren erstaunt, was hier noch alles aus dem Mittelalter erhalten geblieben ist. Stadttore, Kirchen, Gebäude und eine fast vollständige Stadtmauer, sehenswert. Nach 2 dunklen Bier in der Gaststätte zur Post kehrten wir zufrieden und müde in unser Quartier zurück.

 

Donnerstag, 13.9. Wir haben uns vorgenommen bis Wittenberge zu rudern, das sind ca. 68 km. Schaffen wir das? Beim aufstehen skeptische Blicke zum Himmel. Es regnet. Wir verpacken uns wasserdicht, gehen aufs Wasser und rudern. Was sollten wir auch anderes tun. Nach 34 km erreichen wir die Fähre Räbel und lassen uns vom Landdienst wieder stärken.  Ein Vesper und 3 ausgeruhte Ruderer gaben wieder Kraft. Inzwischen wurde das Wetter wieder besser und wir erreichten Wittenberge wenigstens trocken. Den gesuchten Wassersportverein fanden wir auch noch. Er lag als Zugabe ca. 1 km stromauf in einem Hafengebiet. Für unsere lange Etappe wurden wir dann durch freundliche Aufnahme in einem riesigen Bootshaus für Motorboote und Paddelbote entschädigt. Zum Schlafen konnten wir uns in Gruppen aufteilen. Angestrebt waren schnarchfreie Räume, was allerdings selten klappt. Ein großer Aufenthaltsraum mit Küche stand uns auch zur Verfügung. Wir hatten alles was wir brauchten und nutzten es auch, gleich für 2 Übernachtungen.

 

Freitag, 14.9. letzter Rudertag. Das Frühstück begann mit einem Glas Sekt, Fritz Schiller hatte Geburtstag, vielleicht deshalb das gute Wetter. Am Tag zuvor waren wir ca. 15km weiter gekommen, als geplant war. Aus diesem Grund hatten wir beschlossen, nicht bloß bis Schnackenburg, sondern bis Dömitz zu rudern. Das sind ca. 50 km. Wir ruderten zunächst bis zur Fähre bei Lenzen. Dort sorgte der Landdienst auf einer herrlichen Wiese bei Sonnenschein mit aufgestellten Tischen und Bänken für ein Vesper, wie wir uns das immer wünschen. Die Fahrt geht ja zu Ende, da kann das Wetter ruhig besser werden und diese Rast bleibt sicher in Erinnerung. Der Rest war Routine, -rudern bis Dömitz,(Flusskilometer 505), dort war bereits der Bootsanhänger am Ufer, an Land gehen und sofort abriggern und verladen. Dann noch ein Gruppenfoto und ab ging es, zurück zu unserem Wassersportverein in Wittenberge. Hier wurden sofort unsere „Köche“ und viele Helfer aktiv und es entstand ein richtiges Festmahl zum Ausklang der Fahrt.

Gerudert hatten wir 352 km und konnten zufrieden sein.

 

Samstag, 15.9. ½ 7 Uhr wecken, frühstücken, aufräumen. ½ 9 Uhr Abfahrt nach Hause. Die Fahrt verlief reibungslos mit einem kurzen Tank -und Kaffeestopp an der Raststätte Grossenmoor. Wir hatten es so eilig, daß es sogar der Polizei aufgefallen ist. Sie stoppte uns kurz vor Heilbronn mit 103 km/h und fragte uns, warum wir das Gespann nicht auf 100 zulassen würden. Das bewahrte aber Fritz Schiller nicht vor einem Strafzettel. Gegen ¾ 7 waren wir wieder zu Hause und räumten sofort alle Boote wieder auf. Die Fahrt war zu Ende und jeder hat sicher einmalige Erinnerungen mit nach Hause genommen.

 

Peter Luidhardt