Freitag, den 14.09.07

Mindszent (km 215 l) - Szeged (km 175 r)

Als wir am nächsten Morgen zu unseren Booten kamen, war überall lauter Trubel, Heiterkeit. Die ganze Jugend Südungarns war zum fröhlichen Treiben aufgelaufen. Sogar ein Kamerateam war am Platze; allerdings weniger wegen uns, sondern weil offensichtlich so etwas ähnliches wie Bundesjugendspiele - natürlich auf ungarisch - hier stattfanden. Ganz klar, dass wir beim Einsetzen und Ablegen der Boote kurzfristig im Mittelpunkt des Interesses standen. (Wahrscheinlich kamen wir am selben Abend sogar im Fernsehen und wissen bis heute nicht, welch affige Kommentare dazu geliefert wurden).

   

Nun geht es also auf die letzten Kilometer! Auf Details sei hier verzichtet, da die Theiß ihr Gesicht auch auf dieser Etappe nicht wesentlich änderte. Als Neuling bei einer Trimmfahrt bin ich jedenfalls froh, dass wir endlich in Szeged ankommen (ca. 13 Uhr). Mein Hintern schmerzt unendlich, und ich hätte es wahrscheinlich keinen Kilometer länger ausgehalten. Bis zur serbischen Grenze sind es von hier aus ohnehin nur noch wenige Ruderkilometer. Am Steg des Szegediner Rudervereins sind wir anschließend damit beschäftigt, den ganzen angesammelten Dreck sämtlicher Puszta-Regionen aus den Booten zu schwemmen.

   

Nach Abriggern und Verladen der Boote ging es zum "Essenfassen" in ein sehr schönes, direkt an der Theiß gelegenes Restaurant. Auf der Terrasse konnten wir bei Zanderfilet und Schweinekotelett (ebenfalls mit viel Knoblauch) dem freitagnachmittäglichen Treiben der Ruderer und Kanuten auf der Theiß zuschauen.

   

Jetzt werdet ihr euch sicher fragen: Und wo bleibt eigentlich die kulturelle Komponente auf dieser Trimmfahrt? Die gab es auch: Auf vielfachen Wunsch (einiger weniger) wurde im Anschluss noch ein kleiner Stadtbummel durch Szeged unternommen. Erklärend ist zu erwähnen, dass Szeged nicht durch das in jedem Kochbuch aufgeführte Szegediner Gulasch berühmt ist, sondern, wie Bernhard dies gleich mal richtig stellte, durch die Szegediner Fischsuppe und den Paprika.

   

Das Zentrum von Szeged ist, aufgrund seiner vielen, aus der K.u.K.-Monarchie stammenden Gebäude und Paläste (Jugendstil, neobarocker und eklektizistischer Stil), bewundernswert. Die Stadt wurde nach einem verheerenden Hochwasser der Theiß 1879 fast komplett zerstört und musste daraufhin neu aufgebaut werden. Fotografiert wurden von unseren Kameramännern indes nicht nur Theater, Rathaus, Parkanlagen, antikes Gräberfeld etc, sondern auch die durch die Stadt flanierenden weiblichen Schönheiten. - So viel also zu dieser Komponente.

   

Es half alles nichts: Wir mussten Abschied nehmen von der Theiß, wollten wir an diesem Abend noch nach Wien kommen, um beim dortigen Ruderverein zu übernachten. Aufgehalten durch einen endlos währenden Stau bei Györ schafften wir das dann auch tatsächlich, wobei wir allerdings erst kurz vor Mitternacht in Wien ankamen. Die Donau führte Hochwasser, und es war beeindruckend, wie die Kreuzfahrtschiffe, die wohl in Richtung Wachau und Passau mitten in der Nacht unterwegs waren, gegen diese starke Strömung ankämpfen mussten.

Samstag 15.09.07

Was ist an einem Tag schon Gutes dran, der mit Aufstehen beginnt... Dieser Tag begann jedenfalls nicht mit Aufstehen, sondern um 0 Uhr damit, dass, kurz nach Ankunft im Wiener Ruderclub Donau, alles aufgetischt wurde, was die Kombüse (Küchenanhänger) noch hergab. Dazu zählten auch etliche Pullen besten Weines. Freds Witze taten ein Übriges in dieser Nacht an der schönen, eigentlich blauen, heute aber braunen Donau, und so verwundert es nicht, wenn man sich erst gegen 4 Uhr morgens zu einem kurzen Nickerchen in den Schafsack zurückzog. Das Aufstehen blieb uns allerdings auch an diesem Morgen nicht erspart.

   

Vieles bleibt für diesen Tag nicht mehr zu erzählen. Nach den überstandenen physischen und psychischen Strapazen, die uns tagtäglich quer durch die ungarische Tiefebene mehr oder weniger begleiteten, ging es nach ausgiebigem Frühstück halb wach, halb ramdösig in Richtung Heimat. Nach einer Rast in Deggendorf gelangte man schließlich wieder wohlbehalten um 19 Uhr in Esslingen an.

   

Als Frischling auf einer Trimmfahrt möchte ich mir nicht anmaßen, ein Urteil über die Qualität dieser Wanderfahrt zu treffen. Falls es trotzdem jemand interessiert: Wenn ich Berichte über Trimmfahrten auf der Moldau, der Dordogne oder auf sonst einem Fluss lese, dann muss ich gestehen, dass einen die Theiß landschaftlich und kulturell nicht gerade vom Hocker haut. Die Kameradschaft war prima! Viele - eigentlich alle - waren irgendwie beteiligt, ihren Teil am Gelingen dieser Fahrt beizu-"steuern". Daher erlauben Sie mir bitte am Ende noch den Hinweis auf die wesentlichen Kernpunkte, die den Unterschied einer Trimmfahrt im Vergleich zu anderen Fahrten ausmachen. Ich denke, dass alle Aspekte, die von Dieter Meier hierzu an früherer Stelle im Kanalspritzer festgehalten wurden, auf dieser Trimmfahrt hervorragend umgesetzt wurden:

   

"Der Gedanke dieser Trimmfahrten ist, nicht im herkömmlichen Sinne ein Flusswandern zu betreiben, sondern den sportlichen Charakter, d. h. den körperlichen Einsatz stärker zu betonen. Nicht nur, dass die Teilnehmer nicht im bequemen Hotelbett, sondern auf harten Liegebetten oder Lumas in Großzelten auf Campingplätzen übernachten, auch die täglich und insgesamt zu bewältigenden Ruderkilometer je Tagesetappe sind durchschnittlich höher. Außerdem verlangt die straffe Organisation und Einbindung jedes einzelnen Sportlers (für  z. B. sanitäre, kulturelle, finanzielle und lukullische Aufgaben) strengere Disziplin, als auf regulären Vereinsfahrten."

Bericht von Frank Gähr