Mittwoch 12.09.07

Szolnok (km 335,6 l) - Tiszakécske (km 285 r)

Nachts hatte es geregnet. Daher wurde das Frühstück kurzerhand auf die Terrasse eines unbewohnten Ferienhauses verlegt, um im Trockenen zu sein. Auch der Zeltabbau gestaltete sich einigermaßen kurios: Da man versuchen wollte, die Zelte möglichst ohne Kontakt mit dem nassen Boden zu verpacken, durfte Fred ins Zentrum des Zeltes schlüpfen und war nun quasi der Stützpfahl. Während sein Kopf aus dem Luftloch guckte, konnte er verfolgen und kontrollieren, wie die anderen schlecht oder recht die Zeltwände um ihn herum zusammenlegten.

   

Zurück in Szolnok mussten die Boote wieder die vielen Treppen vom Kanuclub zur Theiß hinuntergetragen werden. Der Pegel der Theiß betrug an diesem Tag minus (!) 1,3 m. Bei herrlichem Ruderwetter machten wir uns auf die Strecke nach Vezseny, wo Mittagspause eingelegt werden sollte.

   

Wettrudern zwischen den Bootsbesatzungen sind auf Trimmfahrten gang und gäbe, das habe sogar ich mittlerweile kapiert. Sie beginnen seltsamerweise meist irgendwie spontan, d.h. unausgesprochen, ohne dass zuvor eine großartige Herausforderung von Boot zu Boot ausgesprochen würde. So auch an diesem Morgen, der geprägt war von so manchem Duell zwischen Schwaben und Helene. Offenbar hatte die Schwabenbesatzung, v.a. deren Steuermann, bei dieser Maloche aber doch so viel Energie auf der Strecke gelassen, dass das Anlegemanöver in Vezseny fast in die Hose ging. Schaden am Boot konnte gerade noch mal abgewendet werden (unser Bootswart durfte seine Henkersschlinge, nach erster großer Aufregung, wieder wegpacken).

Die Mittagspause wurde in Vezseny eingelegt. Die Fähre, die dort früher verkehrte, lag so ca. 6-7 m über der Wasserlinie auf der steilen Uferböschung und rostete dort, wahrscheinlich auf das nächste Hochwasser wartend, fleißig vor sich hin.

   

Wie war das doch gleich? "Total langweilig". Daher zur Abwechslung mal wieder eine Story vom Landdienst, diesmal Heinz und zweimal Frank. Im Vergleich zur Gegend, die wir die ersten beiden Tage gesehen hatten, sahen die Dörfer und Straßen nun wesentlich gepflegter, oder besser gesagt: fortschrittlicher aus. Das konnten wir sehr gut auf der ca. 20 km langen Fahrt von Vezseny nach Tiszakécske beobachten. In Tiszakécske jedoch kam der Oberhammer: Wir waren ja nun doch einigermaßen vorgeschädigt wegen der meist geschlossenen Campingplätze. Wir fahren also in Tiszakécske zum "Kemping" und freuen uns ganz doll: "He, da ist ein Wohnmobil, ach und da ist noch eines und noch eines - der hat also offen, klasse!" Doch gleich folgte die böse Überraschung: Auf die Frage an der Rezeption, ob wir hier mit einer Gruppe usw. übernachten könnten, kommt die überraschende Antwort: "It's full". Wie, was, kann doch gar nicht sein. Wir sind erst mal deprimiert. Der Chef bzw. Platzhirsch bietet uns jedoch an, dass wir uns selbst noch mal umsehen können, ob wir einen Plätzchen finden. Das finden wir ziemlich schnell. Dank des etwas gesetzteren Alters und des Ruhe ausstrahlenden Charakters von Heinz erheischen wir die Erlaubnis, für diese Nacht hier unsere Zelte aufschlagen zu dürfen. Voraussetzung allerdings: kein Radau, da auf dem Platz nur deutsche Rentner anwesend sind, die absolute Ruhe brauchen. Zum Teil stehen Wohnmobile der Top-Kategorie auf dem Platz (Kommentar eines Teilnehmers: "Da stehen die ganzen Lebensversicherungen!"

   

Nachdem die Ruderer ebenfalls an diesem Fleckchen "Kleindeutschland" eingetroffen sind, werden Vorkehrungen fürs Abendessen getroffen. Heute soll es zur Abwechslung Eintopf geben. Das bedeutet, fast alle sind eine Stunde lang mit Gemüse schälen und schnippeln beschäftigt. Inzwischen haben wir auf diesem Friedhof - äh Entschuldigung - wollte sagen: Campingplatz doch etwas Leben erzeugt. Man interessierte sich für uns; ein paar Beispiele:

Frau X aus Iserlohn: "Na, wo kommt ihr denn her, ihr Hübschen vom Club der Ungeküssten?"

Herr Y aus Meißen: "Frau gomm schnell, guck dir mal die Gerls an, des sin richtiche Ruderer, weeßte doch, die wo falsch rum im Boot sitzn!"

Sehr zu unserem positivem Befinden trug der Umstand bei, dass sich direkt angrenzend zu unserem, mittlerweile sehr wohlgefälligen Quartier, ein Thermalbad befand, in das wir uns vor dem Abendessen noch mit viel Hoch-und Juchee-Geschrei begaben, um unseren müden Knochen mal was Gutes angedeihen zu lassen. Das rostbraune Wasser des Außenbeckens samt dessen merkwürdigem schwefligen Geschmack war allerdings gewöhnungsbedürftig. So proletete Fred, als er uns in dieser Brühe liegen sah, über das ganze Becken hinweg: "Sag amol, wie sieht denn des Wasser aus, hat da vielleicht einer von euch neigschissa?"

   

Es ist kaum zu glauben, welche Mengen an Essen auf so einer Trimmfahrt weggeputzt werden. Der große Topf (ca. 20 l), randvoll gefüllt mit Gemüseeintopf und Kochwürsten war ruckzuck leer! Die Stimmung war großartig. Unser ältester Teilnehmer merkte es vor lauter Begeisterung nicht, dass er sich das Sprudelglas versehentlich mit Schnaps füllte. Die Umsitzenden beobachteten dies, erst leicht schockiert, dann mit augenzwinkerndem Grinsen und schließlich mit lauthals Gelächter ("He Fritz, bisch gut druff oder was?"). Wie sagte Peter dann immer: "Es lebe der Leistungssport!"

Trotz dieser Eskapaden waren wir sehr brav an diesem Abend; also kein Grund zur Aufregung für die vielen weitgereisten Rentner am Platz. Einzig aus unserem Schnarcherzelt drangen bereits früh grausame Sägegeräusche, was eine Dame aus Wernau beim Vorübergehen dazu veranlasste zu sagen "des isch ja koi Wonder, warom ihr no net ens Bett wellet!"

Donnerstag 13.09.07

Tiszakécske (km 285 r) - Mindszent (km 215 l)

Der Himmel war wolkenlos, und einige Frühaufsteher waren gleich um 7 Uhr im Thermalbecken. Das Frühstück wurde trotz der noch herrschenden Kälte im Freien eingenommen. An diesem Tag stand mit 70 km der längste Tagesabschnitt der Wanderfahrt auf dem Programm. Das meiste hatten wir auf dieser Trimmfahrt ja schon hinter uns - die Fahrtenleiter wurden immer gelöster -, und so war uns nicht sonderlich bange vor dieser Gigantenetappe. Die Landschaft bot auch an diesem Tag nur wenig Abwechslung. Ebenso war Wettrudern kaum angesagt; jede Mannschaft arbeitete für sich an der Perfektionierung des Stils und der Harmonie. Im Boot Helene wurden von Peter alle wichtigen Parameter exakt erfasst und der Mannschaft kundgetan: "4,30 min für 1 km.. genau 15 min unterwegs.. 4,35 min für 1 km..." Das lenkt doch ein wenig ab, wenn so langsam das Hinterteil aufmucken möchte, weil es immer unbequemer wird.

   

Bis zur Mittagspause in Csongrád mussten immerhin 42 km gerudert werden. Auch hier floss die Theiß eingebettet zwischen hohen Dämmen träge dahin. Da gerade Mittag war, waren auch etliche "Horden" von Schulkindern unterwegs, die uns von oben irgendwas auf Ungarisch zubrüllten, wahrscheinlich eine freundliche Aufmunterung ("Hängt auch mal mehr rein ihr alten Säcke!" - so ähnlich klang das wenigstens). Das Strandbad bot einen idealen Anlege- und Rastplatz für die Mittagspause. Allerdings war dann das Ablegen auf der flachen Sandbank, zumindest für eines der Boote, mit einigen Komplikationen verbunden. Der Steuermann musste, nachdem man sich festgefahren hatte, wieder aussteigen und das Boot in tieferes Gewässer schieben.

   

Auf den folgenden 28 km ganze 2 Highlights: a) Durchfahrt unter einer Brücke hindurch, b) Vorbeifahrt an einer von Pionieren abgehaltenen Übung, die gerade damit anfingen, mit dieselqualmenden Stinkbooten eine Pontonbrücke über die Theiß zu legen. Gegen 17 Uhr 30 kamen wir endlich in Mindszent, unserem abgesteckten Etappenziel, an. Die Boote mussten hier noch ein gehöriges Stück auf dem abrutschenden Sandufer hochgetragen werden. Der Weg zu dieser Anlegestelle war für unseren Landdienst sicherlich nicht ganz einfach zu finden. Nachdem alle Boote "unter Dach" waren, ging es entlang einer nostalgisch anmutenden Eisenbahnstrecke nach Martely zum Campingplatz. Nach den Anstrengungen des Tages wurde, nachdem die Zelte in rekordverdächtiger Zeit aufgebaut waren, ausgiebig geduscht. Hier waren wir definitiv die einzigen Gäste.

Ganz leichte Abschlaff-Erscheinungen zeigten sich nun allerdings dahingehend, dass an diesem Abend kaum noch jemand so richtig Lust verspürte, sich an den Kochtopf zu schmeißen, um ein leckeres Mahl zu bereiten. Der mit der Aufgabe losgeschickte Spähtrupp, ein Restaurant mit (selbst noch so) einfacher ungarischer Küche aufzustöbern, kam mit desillusionierendem Resultat zurück. Also machte sich das Bocuse-Dreamteam daran, die beste Tomatensauce, die es je gab, hinzuzaubern. Hinzu gab es tonnenweise Spagetti und Linguine. Es muss richtig gut geschmeckt haben, denn wenn man zuschaute, wie unser Fliegengewicht Ralf eine Portion nach der anderen reinschob, blieb einem fast die Spucke weg.

   

Der Abend verlief dann in sehr gelöster Stimmung, waren doch am nächsten Tag nur noch lachhafte 41 km bis Szeged zu bewältigen, quasi ein Klacks. Sogar die "Strehlers-Buben" fanden in dieser lockeren Atmosphäre endlich in der Person von Harry den dritten Mann für ihren lang herbeigesehnten Skat. Um Mitternacht wurde noch ein Geburtstagsständchen für Frank G. geträllert - recht polyphon und ein Oktave versetzt, aber dies sei entschuldigt.