2. Teil
In Serbien angekommen
Kurz nachdem
wir Ungarn verlassen haben, bildet die Donau die Grenze zwischen Serbien
und Kroatien. Das kroatische rechte Ufer darf nicht betreten werden,
da es z. T. noch vermint ist. Rote Verbotsschilder stehen in Abständen am
Land.
Der Winterhafen
von Apatin nimmt unsere Boote für die nächste Nacht auf. Ein bereitwilliger
Hafenmeister weist uns die entsprechenden Liegeplätze zu. Danach suchen wir
mit Umwegen das örtliche Grenzpolizeirevier auf, um uns offiziell in Serbien
anzumelden, denn nach spätestens 24 Stunden Aufenthalt ist dies erforderlich.
Der gepflegte CP Вudzak liegt 5 km von Apatin entfernt idyllisch im Grünen. Er gehört uns fast alleine; nur ein niederländisches Paar mit Wohnwagen leistet uns freundliche Gesellschaft. Wir bedauern etwas, dass wir nicht für mehrere Nächte hier verweilen können.
Ein Csardas-Quartett spielt
angeblich typische serbische Musik.
Weil es schon recht dunkel geworden ist (die Sonne geht hier etwa 1 Stunde früher unter als bei uns), nehmen wir das Nachtmahl in einem Restaurant ein und bestellen dort meist "Som"-Fisch (Wels) oder "Smud"-Fisch (Zander). Am Nachbartisch herrscht bei den Einheimischen ausgelassene Stimmung. Auf das Essen müssen wir etwas länger warten. Danach spielt uns ein Csardas-Quartett angeblich typische serbische Musik vor, die uns teilweise als solche unter anderem Titel bekannt vorkommt. Als Dessert gibt es Palatschinken mit Vanille-Eis - lecker!
Illegale Einreise nach Kroatien
In Boggjevo (Mittagsrast) schmieden wir den Plan, in Kroatien mit den Booten illegal einzureisen. Das Gezeter mit den An- und Abmeldungen bei den (beiden) Grenzbehörden und den damit verbundenen Zeitverlust haben wir satt. Unser Kassier Ralf Stürner muss nun mit der dritten Währung zurechtkommen.
Der kroatische Ruderclub in Vukovar („Veslacki Klub“) empfängt uns sehr herzlich mit zwei Flaschen landesüblichem Weißwein u.a.m. Es herrscht ein reger Trainingsbetrieb. In zwei Krafträumen, die zuvor extra für uns gereinigt wurden, stellen wir unsere Liegebetten auf. Zwei Oberschnarcher werden in den kleineren Raum verfrachtet. Mit dem Trainer und anderen Vereins-Funktionären plaudern wir auf deutsch. Wir lassen diesen Tag gemütlich bei Vollmond, der sich auf der dunklen Wasserfläche der Donau widerspiegelt, ausklingen.
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Ein
gemütliches Bier und ein Pfeifchen vor der Bootshalle. |
Ein
obligatorische Gruppenfoto vor dem stark beschädigten alten Wasserturm
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Vukovar wurde im Jugoslawien-Krieg (1991) fast vollständig zerstört. Es gibt immer noch einige Kriegsruinen zu sehen. Wir verzichten auf die vorgeschriebene Einreise-Anmeldung bei der kroatischen Polizei in der Stadt und besichtigen dafür den zerschossenen Wasserturm der Stadt. Dieses Mahnmal beeindruckt uns sehr. Der Himmel ist heute etwas bedeckt; es tröpfelt sogar ein wenig, doch nur kurzzeitig.
Wiedereinreise nach Serbien
Der Wiedereintritt nach Serbien auf dem Wasser und an Land läuft problemlos ab. Der Landdienst ignoriert die Aufforderung der Grenzwächter, sich innerhalb der Zweitagesfrist bei der örtlichen Polizei zu melden. Er erkundet zunächst in Backa Palanka die Zufahrten für die Bootsanlandung im Altwasser (See mit Kanu-Regattastrecke) für die Mittagspause. Ein Kanute gestattet uns, die beiden Bootsstege zu benutzen. Der obere breite Verbindungskanal wird für die Anfahrt und der engere Durchlass (Strömung und Brückenpfeiler) für die Ausfahrt benutzt. Neben dem Rastplatz macht uns ein Profisportler mehrere Übungen am Barren vor. Unsere Versuche danach fallen dagegen etwas kläglicher aus. Da wir gut in der Zeit liegen, wird andiskutiert, ob wir die geplante Halbtagesetappe vom Freitag nicht heute gleich dranhängen, Die endgültige Entscheidung sollte am geplanten Endpunkt des heutigen Tages an der Fähre Begec fallen.
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Es
scheint noch viele Fische in der Donau zu geben, Fischerboote jedenfalls gab es genug |
Der
Abwasch vor der Heimreise |
Die Landschaft auf der Steuerbordseite wird nun etwas hügeliger. In der Ferne sind sogar Berge zu erkennen. Ab hier sind nun beide Donau-Ufer serbisch. Am geplanten Ende der Tagesetappe, bei der Fähre von Begec ist die Abstimmung über die Verlängerung.Im Fluss in Ufernähe stehen mehrere „Кarottenspülmaschinen“, die wir bestaunen. Die Mehrheit votiert für die Zusatzstrecke von 22 km. Peter, unser Senior, lässt sich an diesen 80 Tageskilometern übrigens nicht vom Ruderplatz im Dreier vertreiben. Somit erreichen wir einen Tag früher unser Endziel, den Ruderclub von Novi Sad (dt.: Neusatz). Kurz entschlossen bereiten wir sogar noch an diesem Abend die Boote für die Rückreise vor.
Abends serviert uns der Chefkoch köstlichen Fisch („som“); dazu gibt es feurigen Rot- und Weißwein. Der Umtrunk dauert etwas länger, denn die Duschen im benachbarten Kanuclub stehen uns erst nach Ende des Kraftsportes zur Verfügung. Die beiden Schnarcher schlafen im Freien unter dem Vordach des Bootshauses. Ein nächtlicher Störenfried aus den eigenen Reihen lässt sie jedoch nicht richtig zur Ruhe kommen.
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Selbst
ein Plan der Festungsanlage zeigt nicht die wahren Dimensionen dieser
Festung, denn diese liegen in den 20 km unterirdischen Tunneln dieser
Anlage |
In
den Häusern oben auf der Festung ist eine der größten
europäischen Künstler Kolonien beheimatet. |
Am Morgen geht es flott voran. Die Abfahrt wird dadurch etwas behindert, dass zunächst kein Vereinsmitglied mit einem Schlüssel für das Eingangstor aufzutreiben ist. Als uns schließlich der von der Putzfrau herbeigerufene Restaurantbesitzer das Tor öffnet, fahren wir durch die Stadt zur Festungsanlage Burg Peterwardein (serbisch: „Perovaradin“) hinauf. Unser roter Bus ist etwas schwach auf der Brust beim Erklimmen der Höhe. Von hier genießen wir einen herrlichen Ausblick auf die Stadt und auf U N S E R E Donau. Beim zweiten Gespann singen die Bremsen des Bootswagens ein Lied, und wir müssen prüfen, ob sie sich vielleicht heiß gelaufen haben.
Die Freiheitsbrücke (serbisch: „most slobode“) wurde 1999 durch einen NATO-Luftangriff zerstört; sie bildete für lange Jahre eine große Behinderung für den Schiffsverkehr. 2005 wurde sie wieder aufgebaut. Später schlenderten wir noch durch die Fußgängerzone der Innenstadt von Novi Sad (Rathaus, Marktplatz, Marienkirche usw.). Die gesamte Region ist sehr geschichtsträchtig (z.B. Türkenkriege). Bei der Ausreise von Serbien und an der Einreisegrenzstation von Ungarn (EU-Außengrenze) gibt es wieder eine längere Geduldsprobe zu bestehen (2 Stunden in der Auto-Warteschlange).
Unterbrechung der Rückreise
Nach 8 Stunden Fahrt (rund 550 km) erreichen wir gegen 20.30 Uhr den Wiener RV Donauhort. Der Bootshausschlüssel liegt absprachegemäß bereit. Wir treffen noch zwei junge Sportler an, die uns die Örtlichkeiten zeigen möchten, doch wir kennen uns gut aus, da es inzwischen schon der 5. Zwischenstopp (mit unseren früheren Wanderfahrten) hier ist.
Als Abschiedsschmaus gibt es ein etwas aus Nahrungsresten zusammengewürfeltes Nudelgericht mit Tomatensoße (als „pasta asciutta“). Allen schmeckt es wunderbar; ebenso das kalte Bier aus dem Kühlschrank des Gastvereines. Wir lassen die Küche wieder hochleben. Wir tragen uns ins Gästebuch ein und nächtigen fast alle auf der von uns geliebten Veranda im Garten des Rudervereins. Der Mond zwinkert uns beim üblichen Absacker liebevoll zu. Auf der vorbeifließenden Donau ziehen auch des nachts mehrere Kreuzfahrtschiffe vorbei.
Die Heimreise (mit anfangs kleiner Rundfahrt durch Wien) verläuft zügig. Insgesamt werden dafür über 1200 km an zwei Tagen zurückgelegt. Das Defizit unserer Fahrtenkasse wird durch einen Nachschlag von den Teilnehmern vermindert. Alle Ruderer sind sich einig, dass diese Trimmfahrt wieder abwechslungsreich und voll gelungen verlief. Wir danken dem FL Ralf Stybalkowski und dem Planer Mathias Kötter nochmals für ihre zeitintensive Vorbereitung und Durchführung dieser erlebnisreichen Vereinsfahrt.
Heinz Kleemann