Wie schon so oft beginnt auch diese Trimmfahrt mit einem Problem: Diesmal funktioniert die elektrische Beleuchtung zum Anhänger nicht. Nach eigenen Bemühungen, diesen Defekt zu beheben und nach zunächst erfolglosen telefonischen Kontaktversuchen mit dem Fahrzeug-Vermieter, gelingt es uns - mit zwei Stunden Verspätung - die Anreise in den Balkan zu starten. Wir erhalten nach einigen Hin und Her kostenneutral einen zweiten Kleinbus für den defekten PKW gestellt.
10 Männer ziehen nun aus, um den ihnen noch fehlenden 400 km-Flussabschnitt zwischen Ulm und dem „Еisernen Tor“ auf der Donau in Ungarn und Serbien zu schließen. Wir hatten in den Vorjahren auf der Donau schon mehrere Fahrten durchgeführt. Geplant ist, in voraussichtlich 3 Jahren (auf der dann 40. Trimmfahrt) den noch restlichen Flussteil (mit insgesamt 930 km) bis zur Donau-Mündung (Delta) zu berudern, d.h. das „Schwarze Meer“ im Ruderboot zu erreichen. Ein stolzes Ziel: Eine sogenannte „Мachbarkeitsstudie“ hat inzwischen Mathias dazu angefertigt; unser FL Ralf St. will verschiedene Alternativen noch überlegen bzw. ausarbeiten. Die diesjährige Strecke hatte Mathias im Vorjahr mit dem Fahrrad abgefahren und viele Stationen unter die Lupe genommen und danach diese Fahrt organisiert. Seine Kenntnisse erleichtern uns eine sinnvolle Tages-Einteilung und günstige Einsetz- bzw. Lagerungsmöglichkeiten für die Boote zu finden sowie die Übernachtungs-Quartiere (Campingplätze, Ruder- und Kanuclubs) festzulegen.
Oben von links nach rechts: Peter Luidhardt, Wolfram Strehler, Mathias Kötter,
Heinz Kleemann, Ralf Stybalkowski, Achim Lempart, Frank Maschkiwitz, Frank
Gähr
Vorne sitzend : Bernhard Freisler und Ralf Stürner
Anreise und die ersten Rudertage in Ungarn
Nach rund 12 Stunden Fahrt erreichen wir bei teilweise regnerischem Wetter und mehreren kurzen Stopps am Samstagmorgen gegen 8.30 Uhr den "Külker RC" in Budapest, der am nördlichen Stadtrand der ungarischen Hauptstadt liegt. Unser Doppel-Vierer „Helene B.“ und den steuermannslosen Dreier „Staffelsteiger“ (mit Außenspiegeln) riggern wir auf und nach dem gemeinsamen Frühstück werden die Boote am Steg des Ruderclubs zu Wasser gelassen.
Nach viel Regen in der nacht Ankunft ca. 8:30 Uhr in Budapest mit der Aussicht
auf eine gute Strömung.
Etappenplan:
TAG |
START |
ZIEL |
KM |
Fr | Esslingen | Budapest/H | ca. 910 km |
Sa | Budapest/H | Racalmas/H | 68 km |
So | Racalmas/H | Gerjen/H | 71 km |
Mo | Gerjen/H | Mohacs/H (RC) | 68 km |
Di | Mohacs/H (RC) | Apatin/SRB (Hafen) | 52 km |
Mi | Apatin/SRB (Hafen) | Vukovar/HR (RC) | 68 km |
Do | Vukovar/HR (RC) | Novi Sad/SRB (RC) | 78 km |
Fr | Novi Sad/SRB (RC) | Wien RV Donauhort | ca. 550 km |
Sa | Wien RV Donauhort | Esslingen | ca. 650 km |
Ruderstrecke gesamt | 405 km |
Zunächst rudern wir durch Budapest. Es geht am gewaltigen Parlamentsgebäude vorbei, dann folgt der Burgberg mit der berühmten Fischerbastei, die Matthiaskirche und etwas später die berüchtigte Zitadelle. Schließlich wird die bekannte Kettenbrücke unterquert. Nach einem größeren Industriegebiet gelangen wir in die weite und topfebene Tiefebene (Puszta) mit bewachsenen Sandhügeln an beiden Flussufern. An beiden Donauseiten gibt es mehrerer größere und kleinere Naturschutzgebiete.
Die Durchfahrt durch Budapest auch auf dem Wasser noch ein kulturelles Ereignis.
Die Mittagsrast des ersten Tages legen wir an der Fähre Ovaros ein. Der Fährmann weist uns freundlich auf eine geeignete Stelle zum Anlanden für die Boote oberhalb der Fähre hin. Er gibt uns weiter noch Auskunft über die nächste Einkaufsmöglichkeit im Ort. Hier und überall in Ungarn, Kroatien und Serbien stoßen wir auf eine uneingeschränkte Hilfsbereitschaft und Gastfreundschaft der Bevölkerung. In der kleinen Bucht vor Racalmas Duna in Kulcs lagern wir am ersten Abend die Boote am Ufer und die Skulls u.a. Boots-Ausrüstungen in einem Vorgarten eines freundlich deutschsprechenden Ungarns. Unser Quartier für 2 Nächte ist der Campingplatz in Dunaföldvar. Gleich am ersten Abend zeigt sich eine fröhlich-lockere Stimmung. Jeder weiß, wo er zugreifen kann. Das abwechslungsreiche Essen mundet allen auf der gesamten Fahrt vorzüglich. Unter den Wanderruderern gibt es wahrlich Spitzenköche; die niederen Arbeiten werden von freiwilligen Helfern übernommen.
Immer wieder finden wir Plätze, die zum Verweilen einladen.
Der Ruder-Sonntag startet mit herrlichem Sonnenschein, so dass die Trimmfahrt zu einer Schweißfahrt wird. Auf dem Fluss begegnen wir nur wenigen Schiffen. Dieser Landstrich ist dünn besiedelt; wir nehmen nur wenige Orte oder Menschen am Ufer wahr. Wir träumen beim Gleichklang der Ruderarbeit vor uns hin und genießen die Stille und die Wärme. Wasserflaschen sind sehr begehrt. Wir passieren das KKW von Paks. Unser Halbtagesziel ist Bölcske; die Fähre Gerjen ist das Endziel für diesen Tag.
Die nächste Etappe ist der letzte Tag in Ungarn. Mittags finden wir einen Schattenplatz bei der Brücke von Baja, denn es ist wieder sehr sonnig. Baja ist eine sehenswerte Stadt, die vor zwei Jahrhunderten besonders von Donauschwaben besiedelt wurde. Bekannt wurden damals ihre schwerfälligen Holzzillen, die sog. „Ulmer Schachteln“.
Das Ufer der Donau , mit
Farben wie von Bob
Ross gemalt, "with happy little trees".
Kurz vor Mohacs, die letzte ungarische Stadt vor der Grenze nach Serbien, wird der Dreier von der Grenzpolizei (vom Ufer aus) und der Vierer durch ein Patrouillenboot aufgefordert, die Abmeldung aus Ungarn vorzunehmen. Wir versprechen der Polizei, uns am Folgetag - nach unserer Übernachtung in Mohacs - an der Grenzstation mit unseren Booten zur offiziellen Ausreise einzufinden. Mohacs ist durch die Schlacht gegen die Türken im Jahre 1526 bekannt geworden. Damals verlor Ungarn nach dem Tod des Königs Ludwig II für viele Jahre seine Selbständigkeit.
Beim Ausheben der Boote am Rudersteg des Ruderclubs versinkt ein Teil der Gangway und einige von uns holen sich dabei nasse Füße. Wir bauen unseren Wanderzirkus (Küche, Feldbetten usw.) vor und in der Bootshalle auf. Bei der Essenszubereitung gesellt sich ein Gast zu uns. Anstelle des erbetenen Tabaks spendieren wir Konstantin, so nennt er sich, ein Getränk und laden ihn mit zum Essen ein. Es gibt ungarisch Gulasch (nach deutscher Art). Konstantin beteiligt sich an der Essensvorbereitung; er erwartet eine landesübliche Gulaschsuppe mit Brot und ist nun etwas verdutzt über unsere Kochweise.
Der Wanderzirkus in der Bootshalle, die Boote hinter Gittern, mit nach außen
stehenden Auslegern an einem sehr belebten Radweg.
Grenzübergang und -Formalitäten
Am nächsten Morgen rudern wir zwei km flussaufwärts zur Grenzkontrolle. Wir erhalten einen Laufzettel (Polizei-Zoll-Gesundheitsamt-Wasserschutzpolizei-Katasrophenschutz-Polizei) und der Fahrtenleiter zeigt dann an diesen 7 Stellen unsere Ausweise bzw. Reisepässe vor, füllt Fragebögen aus, welche nicht immer verständlich sind, denn es fehlt die englische Übersetzung. Einige Zettel müssen deshalb mehrmals ausfgefüllt werden. Da mancher Beamter kurzzeitig nicht anzutreffen ist, dauert die gesamte Prozedur geschlagene 3,5 Stunden, besonders der Mann vom Katastrophenschutz war nicht auffindbar. Was er von uns wollte werden wir nie erfahren, denn zum Schluss genügte plötzlich auch der Stempel von der Dame am Empfang als Ersatz. Danach durften wir das "freie Europa der Schengenstaaten" verlassen.
In Serbien hatten wir wenigstens
ein schattiges Plätzchen zur Mittagsrast an der Zollkontrollstelle
Der Landdienst (Mathias und Heinz) hat es zwar am Grenzübergang nach Serbien (bei Bezdan) leichter, doch eine dienstbeflissene serbische Polizistin ist über Mathias´ Verhalten etwas verärgert, da er sich vom Grenzgebiet ohne seinen Ausweis entfernt hatte. Es gäbe Probleme für ihn, meint sie sichtlich erregt.
Durch die zeitintensiven Ausreiseformalitäten in Mohacs muss der Landdienst an der serbischen Flusszollstation lange auf die Kameraden im Boot warten. Nach dem Eintreffen marschieren wir alle zunächst zur Grenzpolizei, um dort unsere Ausweise/Pässe abzugeben. Wir können sie bereits nach einer Stunde, zusammen mit den zu erstellenden Bootspapieren (Kosten 60 Euro pro Boot), wieder in Empfang nehmen. Dabei ruft uns der Bearbeiter meist mit unserem zweiten Vornamen (anstelle des Nachnamens) auf. Wir machen daraus ein kleines Spielchen, indem wir uns auf der Fahrt einige Tage lang mit dem uns bisher unbekannten Zweit-Vornamen anreden.
Ein schwieriger Ausstieg um zur Kontrollstelle in Serbien zu gelangen.