AH-Wanderfahrt 2014

Unterwegs auf Hamburger Gewässern

Sonntag, 11. Mai

Wenn man der Statistik glauben darf, dann regnet es in Hamburg 20% weniger als in München. Vor allem im Frühsommer sei das Wetter in der Hansestadt unschlagbar - das behaupten zumindest dort ansässige Meteorologen (siehe "Vereinzelt Nieselregen" in GEO-Spezial "Hamburg"(3/2001)). Dies zu glauben fiel uns Wanderfahrern in den ersten Tagen allerdings etwas schwer. Gefühlsmäßig waren wir aus dem schon weit im Frühjahr fortgeschrittenen Süden in eine Ecke Deutschlands gereist, wo entweder der März noch hartnäckig Expansionsgelüste im Kalender entfaltete oder aber der Herbst bereits wieder Einzug hielt. Aber, und so ist es auch aus der Statistik herauszulesen, sei es wohl in Hamburg dann doch eher so, dass Wolken und Regen aufgrund der Nähe zum Meer zwar rasch aufzögen, dass sich diese aber schneller als im Süden wieder verzögen. Trotzdem: Als wir am späten Sonntagnachmittag Punkt 17 Uhr an den Landungsbrücken in St. Pauli eintrafen, war es etwa 10 Grad kühler als zuhause und es blies eine steife Brise. Wir kamen genau rechtzeitig, nämlich zum finalen Höhepunkt des 825. Hamburger Hafenfestes, das größte seiner Art weltweit. Inmitten der sich drängenden Menschenmassen - gefühlt waren mehrere Hunderttausend Besucher anwesend - hatten wir alle Hände voll zu tun, um uns nicht aus den Augen zu verlieren. Es wurde uns nicht leicht gemacht, die nun stattfindende Promenade der auslaufenden Schiffe zu betrachten. Wolfram gelang es später immerhin noch, einen Stehplatz auf einer Bank zu ergattern, so dass ausgiebig Bildmaterial zu diesem Event gesammelt werden konnte.


Massenhaft versperrten uns andere Besucher, die wohl bereits vor Stunden hier Stellung bezogen hatten, die direkte Sicht.

Da wir genau vor der Moderation Stellung bezogen hatten, kamen wir in den Genuss der ausführlichen Beschreibung der auslaufenden Windjammer und Motorschiffe, darunter auch die "Deutschland", bekannt aus der ZDF-Serie "Das Traumschiff". Bei jedem etwas auffälligeren Schiff entbot der Veranstalter, als besondere Ehrerweisung an die Besatzung, die entsprechende Nationalhymne; Spitzenreiter war die Holländische, welche immerhin 4 mal erklang! (Spätestens seit den olympischen Eisschnelllaufwettbewerben in Sotschi kennt man die ja fast schon auswendig...)

Irgendwann ging dieses Spektakel zu Ende und alles, selbst die Organisatoren, sagten tschüssi. Doch halt: plötzlich ertönte tiefdröhnend das Signalhorn der Cunard-Line. Völlig überraschend kam auf Höhe der Elbphilharmonie die "Queen Elisabeth" ins Blickfeld. Natürlich kann diese in ihrer Größe mit heutigen Mega-Linern nicht mithalten, doch war es wirklich ein majestätischer Anblick, dieses Schiff in den typischen Farben (siehe Titanic) so nah vorbeifahren zu sehen. Ja, ond guck i nom guck i rom, auf einmal sind alle Ruderer just in diesem erhabenen Moment versammelt, d. h. auch die Freunde der luxuriösen Hotelübernachtung scharen sich um uns. Zur Erklärung: unsere edleren Mitruderer haben sich entschlossen, in einem Hamburger Hotel zu übernachten; weniger anspruchsvolle Teilnehmer der Wanderfahrt übernachten im "Ruderclub Dresdenia"auf Feldbetten oder Luma. Nachdem man nach der langen und ohne besondere Zwischenfälle vonstatten gegangenen Anreise kurzfristig getrennte Wege ging, haben es die beiden Fraktionen, obwohl jeder ein Handy oder Smarty dabei hat, während der ganzen Parade nicht geschafft, zueinander zu finden. Was relativ schnell klar wird ist, dass wir Anspruchslosen bei der Dresdenia das bessere Los gezogen haben. Die Zimmer im Hotel sind gemäß des allgemeinen Lamentos wohl so eng, dass man sich bei jeder unbedachten Bewegung eine Beule holt. Dusche und Clo liegen im Prinzip fast übereinander....Anlass genug, dass wir, nämlich die "Luma-Fraktion", uns beim (Damen-) Ruderclub Dresdenia an dieser Stelle ganz herzlich bedanken!


Frühstück direkt an der Alster, gab es nur für die Lumafraktion.

Zum Abschluss des Tages gelingt es uns, in Hafennähe ein portugiesisches Restaurant auszumachen, in welchem jeder nach Herzenslust und bei erträglichen Preisen zuschlagen kann. In einer Riesenschüssel kommt für mich Fischeintopf, angeblich für 1 Person. Die Menge reichte locker aus, um 3 Personen satt zu machen...

Für die Luma-Fraktion wird die U-Bahn in den nächsten Tagen zum Hauptverkehrsmittel. Innerhalb kürzester Zeit sind wir vom Hafen wieder zurück in unserem Quartier bei der Dresdenia in der Nähe der Jarre-Siedlung mit ihrer einzigartigen Architektur. Nach ein paar Bierchen verkriechen wir uns in unsere Schlafsäcke und harren gespannt der Dinge, die uns der nächste Tag bringen wird.

Montag, 12. Mai

Regen ist angesagt, und zwar nicht wenig. Außerdem ist angesagt, dass wir uns nach Bergedorf aufmachen, um von dort die Dove-Elbe zu erkunden. Der Weg dorthin erweist sich jedoch als Tortur. Berufsverkehr montagmorgens in Stuttgart kann schon zermürbend sein. Hamburg scheint in diesem Jahr da noch eins draufsetzen zu wollen. Baustellen wohin man schaut. Auch an der für uns überlebenswichtigen Ausfallstraße ist eine solche eingerichtet. Mit ordentlicher Verspätung treffen wir beim RC Bergedorf ein. Ein Vorteil hat dies allerdings: Die seit 40 Minuten wartenden "Hoteliers"haben die Boote bereits soweit hergerichtet, dass wir "Lumas" nur noch einsteigen müssen. Mit von der Partie ist auch Hans-Heinrich Busse, der uns die nächsten Tage auf den Gewässern in und um Hamburg begleiten und dirigieren wird.

In 2 Vierern m. Stm. und einem gesteuerten Zweier geht es auf der Dove-Elbe von Bergedorf in Richtung Regattastrecke Allermöhe und darüber hinaus bis zur Tatenberger Schleuse. Es bläst ein kräftiger Wind; zu sehen sind v.a. Kühe, deren Hinterteile, aber auch sehr viele Vögel. Von der Schleuse geht es wieder dieselbe Strecke zurück. Nach kurzem Zwischenstopp im Ruderzentrum in Allermöhe werden wir bei der Weiterfahrt durch einen heftigen Schauer mit kleinen Hagelkörnern so richtig nassgeduscht. So sind wir einigermaßen froh, uns in den Räumen des RC Bergedorf während der mittäglichen Vesperpause etwas aufwärmen und stärken zu können.

   
Am morgen war schon alles vorbereitet und während der Vesperpause kann es ruhig weiterregnen, die Frage war nur hört es auch wieder auf?

Am Nachmittag geht es dann vom Bootshaus durch eine Engstelle über Neuengamme und Curslack bis zur Blauen Brücke und wieder retour. Insgesamt sind es an diesem Tag etwa 30 km, die wir gerudert sind. Für viel Abwechslung ist auf der Rückfahrt gesorgt. Wir wollen es schlauer anfangen als am Morgen und fahren nicht über die Autobahn, sondern auf der B5 zurück in die Stadt. Das läuft auch wirklich alles wunderbar, bis - ja bis es im Stopp-and-go vor einer großen Kreuzung auf einmal einen Schlag tut. Am Morgen hatte Stybi noch verkündet, dass er immer ganz gerne durch Städte fährt. Jetzt schimpft er: "Sch..., wo isch denn die Kupplung! Ich hab kein Pedal mehr". Der erste Gang lässt sich nicht auskuppeln und so rollen wir mit höchster Drehzahl noch ein Stück weiter, bis es Stybi gelingt, die Karre auf dem Gehweg zum Stehen zu bringen und abzuwürgen. Reparatur aussichtslos. Ein Glück, das Achim eine ADAC-Gold-Card besitzt. Bis zum Eintreffen des Pannen-Services sollte allerdings noch weit über 1 Stunde verstreichen. Für eine weitere Schreckviertelstunde sorgt Wolfram, der plötzlich verkündet, dass der Fahrzeugschlüssel nicht mehr aus der Schiebetür des Sprinters abzuziehen ist. Das wäre so ziemlich das Ende aller Fahraktivitäten für die nächste Zeit. Nach langem Herumwerkeln ist der Schlüssel aber dann doch wieder befreit. Stybi und Achim werden zurückgelassen, um auf den ADAC zu warten, während der Rest mit der U-Bahn weiter zur Dresdenia fährt.

   
Die Gruppe Hotel wartete am Jungfernstieg vergeblich auf die Lumafraktion.

Geplant war ursprünglich, dass man sich mit der Hoteltruppe am Jungfernstieg trifft, um dort ein Abendessen einzuwerfen. Doch daraus wird angesichts der fortgeschrittenen Zeit nichts mehr. Die Alternative für uns ist ein asiatischer Imbiss gleich um die Ecke mit riesigen Portionen. Dort hauen wir rein, was das Zeug hält. Frohe Kunde dann von Stybi und Achim am Abend: Die Kupplung konnte von einer Werkstatt soweit provisorisch repariert werden, dass der Sprinter hoffentlich bis zum Ende unserer Fahrt durchhalten wird.

Dienstag, 13. Mai

Für heute ist vorgesehen, direkt auf dem an der Dresdenia vorbeiführenden Osterbekkanal loszurudern, hinaus auf die Außen- und Binnenalster. Eine Damengruppe ist, in Begleitung eines Herrn, gleichfalls bereits zugange, ein Boot zu Wasser zu lassen. Der gute Mann heißt Michael Hoffmann. Da in einem unserer Vierer noch ein Platz frei ist, wird er dem Damenquartett und seiner Frau kurzerhand entrissen und für die nächsten Stunden bei uns zwangsverpflichtet. Dies erweist sich als Glücksfall, denn Michael weiß ungeheuer viel zu erzählen über die ganzen Sehenswürdigkeiten der Hansestadt, die es auf dieser Ausfahrt zu bestaunen gibt.

Kaum auf der Außenalster angekommen, werden wir "Am langen Zug" von einer steifen Brise und Wellengang erfasst. In der Nähe befindet sich auch die RG Hansa, der Verein von Hans-Heinrich; mit der Moschee im Hintergrund. Zahlreiche Rudervereine verteilen sich entlang des Ufers. Nach Unterqueren der Kennedy- und Lombardsbrücke erreichen wir die Binnenalster. Wir befinden uns nunmehr so ziemlich im Zentrum der Elbmetropole mit Blick auf den Jungfernstieg, Rathaus und zahlreiche Kirchen. Lothar kann es beim Umrunden der Alsterfontäne nicht lassen, unser Boot sehr knapp an der Fontäne vorbeizusteuern, so dass uns ein eklig kalter Niesel im Genick trifft.


Die alte Weissheit: Vorraus schauend steuern und dabei auch auf den Wind achten, gilt auch bei so einer grandiosen Fontäne.

Eine kurzer Pause beim RC Favorite Hammonia, ein direkter Nachbar des auf Holzpfählen errichteten und sanierungsbedürftigen gelben Baus des ältesten Deutschen Ruderclubs "Der Hamburger und Germania Ruder Club", erlaubt uns einen kleinen Einblick, wieviele Achter in einer Halle Platz finden können, wenn man diese auch besitzt. Danach geht es mit Blick auf das Atlantic-Kempinsky (bekannt vor allem durch Udo Lindenberg oder auch als Kulisse für den James Bond Film "Der Morgen stirbt nie") über die Außenalster hinüber und hinein in den Eilbekkanal. Unter anderem gibt es hier interessante Hausbootsiedlungen zu sehen. Ebenso wie der Osterbekkanal ist der Eilbekkanal für Ruderboote eine Sackgasse, so dass wir nach Erreichen des Wendepunkts wieder zur Außenalster zurück müssen. Nach einem kurzen Schwenk auf der sehr bewegten "See" geht es zurück zur Dresdenia.

Hier setzt unser Catering-Service, v.a. in persona von Klaus Berkemer und Wolfgang Thomsen, einmal mehr alles in Bewegung, damit wir uns stärken können. Die beim Mittagstisch sitzende Damenrunde ist froh, dass wir ihren Michael wieder gesund zurück bringen. Nach dem Vespern legen wir noch einmal ab, um den Osterbekkanal bis ans Ende zum "Wasserfall"und wieder zurück zu errudern. Ein Mehr an Ruderkilometer war an diesem Tag nicht mehr möglich, da die Zeit drängte. Schließlich stand am Nachmittag noch die Besichtigung des Miniaturwunderlands in der Speicherstadt auf dem Programm.


Das merkwürdiges Verhalten bei Menschen, sich in einer schon vorhandenen Schlange anzustellen, wenn es gar nicht notwendig ist.

Da im gleichen Gebäude auch noch ein anderes Spektakel stattfindet, das sogenannte Hamburg Dungeon, eine 90-minütige Reise durch über 600 Jahre grauenhafter Hamburger Geschichte, hatten wir Glück nicht im "falschen Film" zu landen. Trotz mehrmaligem bitten und aufforden auch von freundlichen Passanten, die einfach eines besseren belehrt wurden, standen unsere Freunde der Eisenbahn in der falschen Schlange. Nur weil es hier einfach nicht weitergehen wollte, fragten wir dann doch mal das zuständige Personal. Wir bekamen unser Geld zurück, Karten waren ja bereits gekauft, und gingen dann doch ins Miniaturwunderland. Ich bin immer noch der Meinung wir haben eine tolle Show verpasst.

Das Miniaturwunderland ist die weltweit wohl größte Modellbahnausstellung. Gigantische und mit viel Liebe zum Detail aufgebaute Anlagen sprengen alles, was man bis dahin an Modellbau gesehen hat. Länderspezifische Anlagen mit entsprechenden Zügen und Landschaft, ein perfekt programmierter Airport mit ein und ausfliegenden Flugzeugen, bei Flut ein- oder auslaufende Kreuzfahrtschiffe sind Höhepunkte der Ausstellung. Immer wieder stößt das Auge beim Verweilen eher zufällig auf Überraschendes, so z.B. auf einen Ruder-Vierer, der in Miniaturgröße mit viel Liebe nachgebildet wurde. Die Wunderwelt befindet sich derzeit immer noch in der Expansion. Am Ende der sich mittlerweile über 4 Stockwerke erstreckenden Anlagen sollen ca. 20 Millionen verbaut sein. Allein um die durch die Besuchermassen erzeugte Feuchtigkeit zu regulieren, war eine aufwändige Klimatechnik zu installieren. Nachhaltig beeindruckt verließen wir, als eine der letzten Besucher am Abend, diese spektakuläre Inszenierung von Modellbaukunst.


Nach langer Suche endlich auch ein Ruderboot gefunden.

Moderne Klimatechnik hat Vor- und Nachteile. Nachteil - oder je nach Standpunkt auch Vorteil - ist der, dass man durstig wird. Für den Abend wurde uns passenderweise der Besuch der Brauereigaststätte "Gröninger"empfohlen, zu Fuß gut erreichbar. Dort angekommen, war es bei Durchsicht der Getränkekarte manchem anzumerken, dass er genau nachrechnete, mit welchem Bier und in welcher Seidel-Größe er für die nächsten etwa 2 Stunden am ehesten einen guten Schnitt machte; die Preise waren nicht so ganz von Pappe. Alles Kalkulieren erwies sich jedoch alles als überflüssig: Webmaster Wolfram, mit rundem Geburtstag gesegnet, und Lothar hatten Spendierhosen an und ließen ein 10 Liter-Fässchen auffahren. Damit war ausreichend Stoff vorhanden, den ersten Durst zu löschen.

   
Uli Beh und Klaus Berkemer zeigten, dass sie gute Chancen hätten, ihre Rente im Ernstfall mit einer Tätigkeit als Zapfmeister aufzustocken.

Großzügige Portionen an Schweinshaxe, Steaks und andere Leckereien sorgten für gute Laune und einen schönen Ausklang des Abends.

Frank Gähr

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