39. Trimmfahrt von Kassel nach Bremen

Auf Fulda und Weser Richtung Nordsee

Samstag, 30.08.

Die 39. Trimmfahrt war für die 14 Teilnehmer begleitet von ungewohnten Bequemlichkeiten. Während es nämlich bisher die Regel war, Ruderreviere im Ausland mit zum Teil sehr langen Anfahrtswegen anzusteuern, wurde in 2014 mit Fulda und Weser ein inländisches Ziel ausgesucht. Im Nachgang zu den unliebsamen Erfahrungen auf der AH-Wanderfahrt in Hamburg mit den etwas in die Jahre gekommenen Fahrzeugen eines in Esslingen ansässigen KfZ-Vermieters - damaliger Kommentar von Hanse: „Die Karre fährt auf der letzten Rille-, standen uns bei der Trimmfahrt wirklich sehr frisch aussehende Sprinter eines Anbieters aus dem Remstal zur Verfügung.

1. Etappe: Kassel bis Hannoversch Münden 26 km

Start war in Kassel und zwar nahe der Schleuse Kassel beim Kanuverein in der Hafenstraße. Dort hinzugelangen erwies sich als ein zeitraubendes Unternehmen. Aufgrund einer Sperrung der Innenstadt wurde der Verkehr umgeleitet. Es herrschte Chaos allenthalben, begleitet von einem Hupkonzert, wie man es sonst nur von asiatischen Großstädten her kennt. Nach dem Aufriggern der Boote „Engel“, „Helene“ und Staffelsteiger und einem kleinen Imbiss wurde um 12 Uhr im Unterwasser der Schleuse abgelegt. Und gleich da passierte ein kleines Malheur. Unser Kameramann Peter war noch ganz ins Verpacken seiner Ausrüstung vertieft, als die Kameraden, die es einfach nicht mehr erwarten konnten, die ersten zwei Schläge machten. Pech war eben nur, dass sich auf dem Steg ein fetter Haken befand. In diesem verfing sich Peters Steuerbordskull und die Gesetze der Physik schlugen erbarmungslos zu: kurze aber knackige Hebelwirkung und das Skull knickte ab wie ein Streichholz. Mangels Ersatzskull – der Landdienst war schon über alle Berge - wurde kurzerhand ein herumliegender Ast zurechtgeschnitzt. Mit diesem gelang es, die beiden Skullteile fest miteinander zu verstreben. Das etwas unorthodox daherkommende Skull wurde, aus welchen Gründen auch immer, kurzerhand unserem Oldie (but Goldie) Fritz in die Hand gedrückt. Aus dessen Mund erscholl dann in der Folge alle 3 Kilometer der laute Ruf „Ruder halt“, damit er die Möglichkeit hatte, aus dem notdürftig reparierten Skull das „eingesammelte“ Wasser der Fülle auszuleeren.


An den Ecken des Stegs zu erkennen, vermaledeite kleine Klampen zum Festmachen der Boote - eben ein Steg eines Kanuclubs.

Überhaupt schien Fritz auf dieser ersten Etappe auf Platz 1 im „Engel“ - salopp formuliert - die Arschkarte gezogen zu haben. Bei der ersten Schleuse in Wahnhausen wusste keiner so genau, wie die Bedienung der Sportbootschleuse funktioniert und ob im Ernstfall womöglich umgetragen werden müsste. Also stieg Fritz aus, um das Ganze aus der Nähe zu erkunden. Leider war die Ausstiegsstelle so was von von Enten vollgekackt, dass einem vom puren Anblick schon fast schlecht wurde. Fritz bruddelte zwar ein bisschen herum, aber er ging da durch, als wäre der Krieg gerade erst zu Ende gegangen und andere schlechte Zeiten zögen am Horizont bereits wieder hoch. Nach kurzer Wartezeit durften wir aber dann doch in die Schleuse einfahren. Die Technik der Schleuse war insofern einigermaßen interessant, als sich in der Schleuse ein Schwimmsteg befand, an dem die Boote festgemacht werden konnten.

   
Kontrastprogramm Schleuse und Natur entlang am Fluss.

Der Flusslauf der Fulda ist hinter Kassel gekennzeichnet von zahlreichen Flussschleifen durch das Bergland des Reinhartswalds und des Kaufunger Walds. Entsprechend verkehrsarm und idyllisch ist das Tal bis Hannoversch Münden. Umgekehrt bedeutet dies aber auch, dass der Netzempfang nicht immer garantiert ist.

Nach einer weiteren Schleuse bei Wilhelmshausen wurde nach 26 km das Etappenziel Hann. Münden erreicht. Dort wurde Quartier beim dortigen Ruderverein bezogen. Rasch waren die Biergarnituren auf der Wiese aufgebaut, die Fressalien und Kochutensilien ausgepackt. Als das erste Partyfässchen angezapft war und der erste Durst gelöscht, machte sich ein Teil der Mannschaft ans Schneiden von Zwiebeln, Knoblauch und anderen Zutaten für die Bologneser Sauce. Pastaschutta ist schon seit jeher fester Bestandteil der Speisekarte von Trimmfahrten…

   
Ein Besuch am Stein des Zusammenflusses von Fulda und Wera darf nicht fehlen.

Obwohl Regen angekündigt war, klarte der Himmel auf und es wurde empfindlich kalt. Eine kleine Fraktion machte sich am Abend noch auf den Weg, um Hann. Münden mit seinen vielen Fachwerkhäusern anzuschauen und um bei einem – angeblich recht teuren- Bierchen auf dem Rathausplatz das Haus des Doktor Eisenbarts zu bestaunen, der in dieser Stadt mit allerlei absonderlichen Methoden und Spektakel seine Patienten kuriert hat.

Sonntag, 31.08.

2. Etappe: Hann. Münden bis Höxter; 67,9 km

Wie heißt doch der schöne Spruch? „Wo Fulda sich und Werra küssen, sie ihren Namen büßen müssen“. In Hann. Münden vereinigen sich die beiden Flüsse zur Weser, die von hier ab mehr als 100 km durch das Weserbergland ihren Lauf nimmt bis hin zur Porta Westfalica. Eine Landschaft, die geprägt ist von vielen Höhenzügen, schmucken Fachwerkdörfern und prachtvollen Gebäuden der sogenannten Weserrenaissance. Auch ist die Gegend als Ursprung vieler Sagen und Märchen bekannt.


Die letzte Schleuse der Fulda, danach gab es reichlich Strömung vom Wasser der Wera auf der Weser.

Nach einer letzten Schleuse auf der Fulda, ging es an diesem schönen Sonntagmorgen vorbei an der Insel Tanzwerder mit dem berühmten Weserstein, auf welchem der oben zitierte Spruch eingemeiselt ist, hinaus auf die Weser in Richtung Nordsee. Beschreibungen zu Wanderfahrten auf der Weser sind in hinreichender Zahl verfügbar und abrufbar. An diesem Vormittag sitze ich nicht im Boot, sondern bin mit Heinz zum Landdienst eingeteilt.  Ziel der Mittagspause ist Bad Karlshafen. Die Gegend, durch die wir kurven, lag früher einmal inmitten der alten Bundesrepublik. Irgendjemand hat dort – so scheint es zumindest – irgendwann mal vor ein paar Jahren die Uhr angehalten. Ein gutes Beispiel scheint diesbezüglich Bad Karlshafen zu sein. Wahrscheinlich war der Zeitpunkt, durch Bad Karlshafen an einem Sonntagvormittag zu flanieren, nicht gerade günstig gewählt. Keineswegs trostlos, doch es ist offensichtlich, dass die Stadt, nachdem die große Zeit der Kuren aufgrund von Einsparmaßnahmen bei den Kassen vorbei ist, ihre Blütezeit hinter sich hat. Da ändern auch aktuelle Bestrebungen wenig, mit viel Aufwand den alten Hafen im Stadtzentrum zu neuem Leben zu erwecken. Heinz und ich sehen uns eine respektable Ausstellung im Rathaus mit dem Diorama einer alten Stadtansicht an. Dies ermöglicht uns, einen guten Vergleich und Eindruck zu bekommen, wie viel von einstiger Herrlichkeit verloren gegangen ist.


Hafenplatz von Bad Karlshafen

Eine Kneipe für einen gepflegten Frühschoppen finden wir indes nicht; da müssen wir wieder auf die andere Flussseite zurück zum Campingplatz. Dort warten wir lange auf unsere Ruderkameraden, verhaften auf der Terrasse so ganz nebenbei ein oder zwei Halbe, schauen dem Manöver eines in der Strömung an- und wieder ablegenden Ausflugsschiffs zu - und erfahren im Gespräch viel über den Anderen. Das kann oftmals auch das Schöne am Landdienst ausmachen, dass man hin und wieder Gelegenheit findet, sich persönlich näher zu kommen. So viel Relaxen ist auf Trimmfahrten allerdings eher die Ausnahme. Kurze Zeit später geht nämlich der Stress los: Punkt Halberzweie legen unsere Kameraden endlich am Steg an – nach 45 Kilometern getaner Ruderarbeit in den Knochen. Wie immer steht alles bereit: massenhaft Brot, Wurst, Käse, etwas Gemüse, Essiggurken und v.a. viel Senf und Bier. Stybi würgt das alles im Akkord runter, da er mit einem der Sprinter zurück nach Kassel muss, um Späteinsteiger Albrecht vom Bahnhof abzuholen.

   
Nach dem Essen sollst du ruh'n, trotz langer Etappen bleibt auch dafür Zeit.

Die Weser hat in diesem Abschnitt, im Gegensatz zur Unterweser, durchaus Strömung, was ja eigentlich ganz lustig wäre. Doch leider verleiden uns auf der nachmittäglichen Strecke von Karlshafen bis Höxter die vom Wetterdienst prognostizierten Regenschauer den Genuss. Außerdem sitze ich mit Mathias im Boot und der meint, gleich bei den ersten paar Schlägen den Lehrmeister raushängen zu müssen (Hände weg! Beine! etc.). Gefühlte 500 Schläge nach Ablegen in Karlshafen lässt er es selbst aber auch total schleifen. Mathias ist ein Phänomen: Immer wieder trifft uns ein Regenschauer begleitet von kalten Böen; er sitzt in seinem völlig durchnässten T-Shirt auf Schlag und alles ist ihm egal. Alle anderen sind im steten Wechsel ihrer Oberbekleidung begriffen, einzig vom Willen beseelt, irgendwie trocken zu bleiben. Erst kurz vor Höxter strahlt die Sonne wieder auf uns herab.

   
Vor dem Regen und nach dem Regen, alles halb so schlimm.

Nach Anlegen und Einquartierung im Bootshaus des Rudervereins Höxter muss angesichts der fortgeschrittenen Zeit bezüglich der Essenszubereitung alles ganz schnell gehen. In Windeseile wird Gulasch gekocht, Albrecht ist hier Experte. Die Aufgabe des Restvolks besteht hauptsächlich darin, während der immer noch auftretenden Schauer, die Regenschirme über die Kochtöpfe zu halten und Albrecht ein paar Tipps zu geben, wie man vielleicht noch etwas nachhaltiger würzen könnte.

   
Nicht alle fanden das Skatspiel spannend, war's die lange Etappe oder doch nur ein Schluck zuviel aus der grünen Flasche?

Später am Abend treten dann zur allgemeinen Belustigung die Skatprofis des RVE gegeneinander an. Noch später schlägt die Stimmung bei Akteuren und Zuschauern jedoch in Ermüdung um. Die lange Etappe von 68 km zeigt dann halt doch ihre Wirkung.

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