39. Trimmfahrt von Kassel nach Bremen

Auf Fulda und Weser Richtung Nordsee

Montag 01. September

3. Etappe: Höxter bis Hameln; 64,7 km

Größte und schweißtreibendste Aktion des Tages war es, unseren Küchenanhänger nach dem Frühstück wieder vom hinter der Bootshalle gelegenen Grün, durch dieselbige hindurch und zur Anhängerkupplung eines unserer Sprinter zu bewegen. Es erstaunt immer wieder, wie schwer doch so ein läppischer Hänger wiegt. Die Wettervorhersage für den Tag war durchwachsen oder vornehm gesprochen: Stratocumulus, d.h. kaum Sonne, trüb, ab und an Regen.

Albrecht darf in unserem Vierer gleich bei seiner ersten Ausfahrt auf Schlag sitzen. Zwar habe ich anfangs immer etwas Mühe, mich an seinen Rhythmus zu gewöhnen, doch ist es stets sehr unterhaltend, hinter ihm zu sitzen. Irgendwie reiht sich ein Witz an den anderen und eine Story an die nächste.


Angeblich war das Schloss von der Weser aus nicht zu erkennen und so rudern die Ahnungslosen vorbei am Deutschen Kuturerbe ohne es zu merken.

Wieder erscheint es mir, dass dieser Landstrich, das märchenhafte Weserbergland, im Wettlauf mit der sich rasant entwickelnden Globalisierung irgendwann abgehängt wurde –Charme hin oder her. Immer wieder tauchen in diesen ersten Tagen unserer Wanderfahrt mehr oder weniger verrostete Eisenbahnbrücken auf, unter denen wir hindurchfahren. Zum Teil sind diese sowie die sich anschließenden Gleisanlagen total überwuchert von Grün…

Üblich sind auf Trimmfahrten einstündige Ruderpausen, kurz mach der Ersten ging es vorbei an Holzminden mit seiner eintönigen Hafenanlage – sieht aus wie in Plochingen, nur deutlich mickriger - und weiter über Polle. Dort verkehrt eine Gierseilfähre, die eigentlich eine Rollfähre ist und dafür als Beispiel im Wikipedia dient.

Der Landdienst war währendessen unterwegs in Sachen Kultur. wieder einmal gab es ein Weltkulturerbe zu besichtigen - Schloss-Corvey- bei Höxter. Sehenswert sind das karolingische Westwerk, die barocke Schlossanlage, der Kreuzgang und die Äbtegalerie, sowie der prächtige Kaisersaal und die facettenreichen Prunk- und Wohnräume aus dem 18. und 19. Jahrhundert. Schade für die Ruderer, war leider nicht als kulturelles Highlight vorgesehen in der Planung.


Mittag im geschlossenen, aber trockenen Ausflugslokals

Station unserer Mittagspause war Dölme. Das Anlegen war nicht ganz ohne, da ausgerechnet hier einige größere Steine im Uferbereich eingelagert waren. Auch hatte es zu Nieseln begonnen, so dass wir alle leicht genervt waren. Jedenfalls  waren wir aber doch einigermaßen froh, in einer nahen Gastwirtschaft einen Platz zum Vesper – zwar im Freien, da die Wirtschaft geschlossen hatte - aber doch unter Dach zu finden. Der Weserradweg führte direkt vorbei. Es blieb uns daher auch nicht erspart, mit unserem Vorrat an Bierdosen den einen oder anderen Radler zufrieden zu stellen.

Auf unserer Weiterfahrt kamen wir u.a. an Bodenwerder vorbei. Die Stadt ist bekannt durch die Erzählungen des Lügenbarons Münchhausen. Ob seine Gewehrkugeln tatsächlich so weit geflogen sind, wie er behauptet hat, mag dahingestellt sein; wir jedenfalls flogen nur so dahin auf der Weser bis Hameln.

Der „Ruderverein Weser von 1885“ befindet sich steuerbordseitig noch ein gutes Stück vor Hameln, d.h. so ziemlich in der Pampa. Es handelt sich um einen, wie es scheint, in mehreren Ausbaustufen erweiterten Gebäudekomplex und das heißt, dass es anfangs schwierig ist, sich zu orientieren und schnell die Dusche und ein freies WC zu finden. Irgendwann –während alle anderen vor der vermeintlich einzigen Toilette anstehen und sich bereits krampfhaft in den Schritt fassen, kommt man aber dahinter und stellt fest, dass über ein paar Steigen und Stiegen ein Nebengebäude mit Vereinssaal erreichbar ist, welches mit einem WC de luxe ausgestattet ist.  

        

Apropos „de luxe“ und um zurückzukommen auf die Menüs bei Trimmfahrten: Einer unserer Spitzenköche ist Wolfram. Er bereitet für den heutigen Abend einen Braten zu. Wieder sind etliche Statisten am Werk, die – unter einer nach mehrfachen Anstrengungen endlich festgezurrten Leine fürs Licht - die Beilagen vorbereiten, d.h. Bohnen, Kartoffeln, Zwiebeln etc. schnippeln. Es schmeckte wunderbar, der Abend war klasse und die Nacht hätte genauso angenehm sein können, wenn – ja wenn in der Bootshalle keine Bewegungsmelder installiert gewesen wären. Bei jeder noch so kleinen Bewegung im Schlafsack ging also das Licht an – ätzend hoch zehn kann ich nur sagen…

Dienstag, 2.09.

4. Etappe: Hameln bis Minden; 69,7 km

Bei Hameln fällt jedem natürlich sofort die alte Sage vom Rattenfänger ein, der im Spätmittelalter die Stadt von einer Rattenplage erlöst haben soll und, nachdem er um seinen versprochenen Lohn gebracht wurde, die Kinder der Stadt entführt hat. Nach einer quasi schlaflosen Nacht (s.o.) sind mir solche Sagen am Morgen so ziemlich wurscht. Nun heißt es, Magnesium tanken und dann ab in den Dreier, zusammen mit Albrecht und Stybi. Bei immer noch widrigen Witterungsverhältnissen kommen wir nach etwa 2 km zur Schleuse Hameln. Die Schleusenkammer ist schon etwas für größere Brummer und wir kommen uns darin etwas verloren vor. Doch wie es scheint, ist der Schleusenwärter froh, überhaupt einmal Kundschaft bekommen zu haben. Ein 3-fach Hipphipphurra ist ihm, auch ob des schnellen Schleusens, natürlich sicher.

Wenn man mich vor 1 Jahr gefragt hätte, wo zum Kuckuck denn Hessisch-Oldendorf liegt, hätte ich keine Ahnung gehabt. Heute weiß ich es. Es liegt genau zwischen Hameln und Rinteln. Das heißt, dieses Kaff liegt genau da, wo ich zum ersten Mal bei einer Männer-Wanderfahrt als Schlagmann aktiv werden durfte. Ich sag mal so: die Kritik meiner beiden Ruderkameraden hielt sich bei Ankunft in Rinteln in Grenzen, richtig euphorisch reagierten die beiden aber auch nicht…Jedenfalls stieg ich zufrieden und physisch wie auch psychisch saturiert aus dem Boot. Außerdem hatte ich genug. Daher freute ich mich auf Landdient mit Hanse, das funktioniert normalerweise immer. Während die Kameraden also den Weg aus dem Bergland durch die Porta Westfalica ansteuerten, fuhren Hanse und ich auf – dank Navi direttissima – zum Teil fast abenteuerlichen Schleichwegen nach Minden.

   
Ein Wasserkreuz mit viel Verkehr und dem typischen deutschen Schilderwahn.

Mit Durchfahren der Porta Westfalica änderte sich gleichsam Landschaft wie auch Wetter. Ab diesem Zeitpunkt herrschte eitel Sonnenschein. Der Ruderverein Minden liegt in direkter Nachbarschaft zum historischen Pumpwerk und zum Wasserkreuz von Weser und Mittellandkanal. Zwei Brückenbauwerke, die die Überfahrt von Frachtschiffen über die Weser möglich machen, bezeugen eindrucksvoll deutsche Ingenieurskunst. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts herrschten romanisch geschwungene Bögen aus damals neumodischem Beton vor – so was kennt man ja von Bunkeranlagen, die kurz nach Erstellung der ersten Brückenanlage im ersten Weltkrieg an den Fronten entstanden. Bei der moderneren Brücke –übrigens wesentlich breiter –wurde fast ausnahmslos Stahl verbaut, um die zahlreich verkehrenden Frachtschiffe 500 Meter weit über die Weser zu führen. (Weitere technische Daten zur Geschichte und zum Zweck dieses eindrucksvollen Bauwerks sind in Wikipedia abrufbar).

Bei strahlender Abendsonne schlenderten wir über dieses Bauwerk. Hierbei wird man erst recht gewahr, welch enorme Kräfte auf die Pfeiler der Brücken einwirken und welch enorme Anstrengungen es von Seiten der Statik bedarf, dessen Belastbarkeit über mindestens ein Jahrhundert zu garantieren.-  Bevor wir wieder zurückspazierten entstand unser einziges Gruppenfoto mit ausreichend Kontrast.


das könnte natürlich überall auf der Welt sein, ich garantiere aber es war oben auf der Aussichtsplattform des Wasserkreuzes von Weser und Mittellandkanal.

Zwischenzeitlich köchelte der von Mathias aufgesetzte Fischeintopf ganz dolle vor sich hin, Für dessen Zubereitung ist  Mathias prädestiniert: genial war der Eintopf  an der Maas 2010, auch auf der Donau 2012. Da ich mit Hanse einkaufen durfte, weiß ich, dass in dem heutigen Eintopf ca. 3,5 kg kleingehackter Seelachs und Rotbarsch verarbeitet wurden. Die notwendige Zubereitung von Fisch und Gemüse hatten wir natürlich bereits vor unserem Spaziergang über die Schifffahrtsbrücke erledigt. Die „Bouillabaisse“ schmeckte hervorragend.

Die Küche im Mindener RV verfügte übrigens über einen prima Boiler. Wir haben Heißwasser aus demselbigen nicht nur dazu genutzt, unser eigenes Zeug zu spülen, sondern auch für manch herumliegende Hinterlassenschaften früherer Parties. Aber es ist ja auch klar, dass bei einem solch jugendorientierten Verein – hier besteht direkte Anbindung zu einem Gymnasium – nicht alles wie geschleckt aussieht. Im Gegenteil: nachdem wir einen kleinen Einblick in die Trainingsarbeit erfahren durften, mussten wir erkennen, dass die Jugendarbeit des Vereins wirklich imponierend ist!-

Das Skatspiel kommt heute Abend nicht so recht in Schwung. Vielmehr werden mit fortschreitender Zeit Überlegungen angestellt, ob bei künftigen Trimmfahrten anstelle von Sprintern nicht noch zugstärkere Fahrzeuge eingesetzt werden könnten. Hintergrund ist, dass der Vermieter aus dem Remstal diesbezüglich auch komplett ausgestattete 40-Tonner  anbietet…

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